Wettbewerb

Diva gegen Lena

Nachmittags vor dem Café Benedikt in der Ben-Yehuda-Straße. Während die Gäste sich ihr Frühstück schmecken lassen und zwei Autofahrer um eine Parklücke streiten, bildet sich vor dem hellen Eckhaus im Herzen von Tel Aviv eine kleine Menschentraube. Mittendrin steht eine hochgewachsene Frau, deren Kleidung man ohne weiteres aufgemotzt nennen kann. Mit Sonnenbrille und langen schwarzen Haaren wartet sie erhobenen Hauptes und scheint die neugierigen Blicke der jungen Männer und Frauen, die um sie herumstehen, nicht wahrzunehmen.

Es ist Dana International, die am 14. Mai gegen Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest in Düsseldorf antreten wird. Mit ihrem Popsong Ding Dong trifft die israelische Sängerin dann nicht nur auf das eher düstere Lied Taken by a Stranger von Lena, sondern muss sich auch gegen große Gefühlshymnen und sonstigen Kitsch behaupten.

Birmingham Das allerdings dürfte keine Hürde für die Sängerin sein, die 1972 als Yaron Cohen geboren wurde und sich wegen ihrer Transsexualität schon heftiger Kritik von religiöser Seite ausgesetzt sah. Als sie 1998 mit ihrem Song Diva den israelischen Vorausscheid gewann, um das Land beim Eurovision Song Contest in Birmingham zu vertreten, gab es wütende Proteste von ultraorthodoxen Juden. Und in Ägypten wurde ihr Song, der ins Arabische übersetzt worden war, sogar verboten.

Aber der Karriere von Dana International, die 1993 nach London ging, um sich einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen, schadete das nicht. Im Gegenteil: Mit ihren leichten Gute-Laune-Popsongs stieß sie im Laufe der Jahre bei vielen Israelis auf im wahrsten Sinne des Wortes offene Ohren. Und nutzte zudem ihre Popularität, um sich für die Rechte sexueller Minderheiten einzusetzen.

Die Tochter jemenitischer und rumänischer Juden wuchs in Tel Aviv auf und merkte schon früh, dass sie im falschen Körper geboren war. Mit 13 Jahren hatte Yaron dann sein Coming-out. Das jüngste von drei Geschwistern erlebte nach eigenem Bekunden eine glückliche Kindheit. Besonders der Musikunterricht machte ihm Spaß. Den Entschluss, Sänger zu werden, fasste der damals achtjährige Yaron, als er die israelische Musiklegende Ofra Haza im Fernseher sah.

Ofra Haza Mit Haza verbindet Dana International eine Menge. Auch die 2000 verstorbene Sängerin kommt aus einem jemenitischen Haushalt und wuchs wie der kleine Yaron in ärmlichen Verhältnissen auf. Chai, das Lied, das Haza beim berühmten Wettbewerb 1983 sang, bei dem nun auch Dana International auftritt, berührte den achtjährigen Jungen und prägte ihn in seiner musikalischen Laufbahn.

Und die begann in Clubs und kleinen Bars, als die damals noch männliche Dana als Drag-Queen berühmte Sänger nachahmte. An einem Abend wurde das Gesangstalent von Offer Nissim entdeckt, einem berühmten israelischen DJ, der ihre erste Single Saida Sultana produzierte.

Ein Jahr später veröffentlichte Dana ihr gleichnamiges Album Danna International – in anderer Schreibweise –, das Gold in Israel gewann.

Der Nachfolger Umpatampa erhielt sogar Platin und hat sich bis zum heutigen Tag nicht nur über 50.000-Mal verkauft, sondern diese Veröffentlichung verhalf der Sängerin 1994 auch zur Auszeichnung als beste weibliche Künstlerin in Israel. Nach einigen ruhigen Jahren folgte dann ihr bahnbrechender Auftritt in Birmingham. Mit Diva nahm Dana International den Titel mit nach Hause und bescherte ihrer Heimat 1999 den ersten Eurovision Song Contest seit 1979.

Aber die Sängerin ist nicht nur auf der Bühne aktiv, sondern arbeitet auch als Texterin für andere Künstler. Sie zeigt gern ihre Vielseitigkeit. So unterstützte Dana International die Kadima-Politikerin Zipi Livni 2009 bei ihrer Kampagne zur Präsidentschaftswahl und saß im gleichen Jahr in der Jury zu »Kochav Nolad«, der israelischen Version von »Deutschland sucht den Superstar«.

Nachruf

»Also sprach Zarabauer«

Yehuda Bauer war nicht nur Historiker, sondern auch ein begnadeter Redner mit viel Humor

von Laurence Weinbaum  04.11.2024

Dokumentation

»Ein Bürger, ein Demokrat, ein Humanist, der für uns aufbegehrt«

Michel Friedman ist in Frankfurt mit der Goethe-Plakette ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Carolin Emcke

von Carolin Emcke  04.11.2024

Nachruf

Abschied von einem genialen Musiker und Produzenten

Quincy Jones produzierte Michael Jackson. Auch er selbst lieferte Unmengen an Musik

von Imanuel Marcus  04.11.2024

Hito Steyerl

Künstlerin mit Kompass

In ihrer Ausstellung »Normalität« in Heidelberg setzt sich die Filmemacherin mit rechtsextremer und antisemitischer Gewalt auseinander

von Eugen El  04.11.2024

Literatur

Volker Kutscher veröffentlicht seinen letzten Rath-Roman

Dieser Band endet mit den November-Pogromen im Jahr 1938

von Christiane Laudage  04.11.2024

Geburtstag

Wolf Biermann will sich nach seinem Tod nicht langweilen

Im Gespräch denkt der jüdische Ex-Kommunist über den Tod nach, die Liebe und den Krieg

von Bernhard Sprengel  04.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.11.2024

Aufgegabelt

Tahini-Riegel

Rezepte und Leckeres

 03.11.2024

Gespräch

»Leider gibt es keine magischen Lösungen«

W. Michael Blumenthal über Flüchtlinge, Populisten und einen möglichen Wahlsieg von Donald Trump

von Axel Brüggemann  03.11.2024