Alle Welt ist begeistert von der lückenlosen Organisation, der geschlossenen Ordnung und Disziplin, die mit verschwenderischer Großzügigkeit aufgezogen ist.» Frankreichs Botschafter André François-Poncet war beeindruckt. Die Realität des NS-Regimes vergaß er nicht. Nur auf den ersten Blick schien Berlin weltoffen und tolerant. Man hörte Jazz, bejubelte den schwarzen US-Athleten Jesse Owens, zwischen den Fahnen mit Hakenkreuzen und olympischen Ringen. Selbst die Verkaufskästen des Hetzblattes «Stürmer» waren abmontiert.
Die Stadt wirkte gesäubert, jedenfalls aus NS-Perspektive: Oppositionelle waren vorbeugend verhaftet, Bettler entfernt, Sinti und Roma in ein Lager gepfercht worden. Im Norden Berlins bauten Häftlinge das KZ Sachsenhausen. Stadtverwaltung, Polizei und NS-Organisationen hatten die Bühne für die olympische Feier bereitet. Über die Gastgeber rätselte François-Poncet: Wie konnten «diese Männer, die offensichtlich Vergnügen an diesen mondänen und raffinierten Festlichkeiten finden, gleichzeitig Anstifter der Judenverfolgungen und Folterungen in den Konzentrationslagern sein?»
systematisch Zugleich protestierte eine internationale Boykottbewegung gegen die Nazi-Olympiade. 1933 brach sich der Antisemitismus im NS-Regime nirgends so schnell Bahn wie im Sport. Im März begann der Ausschluss von Juden aus Vereinen und Verbänden; zum Entsetzen der Londoner «Times» wurde das Tennis-Ass Daniel Prenn aus der deutschen Davis-Cup-Mannschaft verstoßen. Es gab tätliche Angriffe auf jüdische oder «jüdisch aussehende» Sportler und Zuschauer, auch auf Ausländer – die internationale Presse berichtete.
Der Organisator der Spiele, Carl Diem, warnte das Regime vor dem Imageschaden. Er wolle nicht Juden helfen, aber «Gastlichkeit» sei die «beste Kampfwaffe» für den «eigentlichen Zweck» der Spiele: «Hochachtung und Dankbarkeit fremder Länder» zu erschleichen – die Welt zu Gast bei Feinden.
Das IOC blieb gelassen. Es sei Sache der Deutschen, ob sie Juden in ihre Mannschaften aufnehmen, so sein belgischer Präsident Baillet-Latour. Der US-Funktionär Avery Brundage beschied einer Delegation Berliner Juden: «In meinem Club in Chicago sind Juden auch nicht zugelassen.» Später akzeptierte das IOC die deutsche Erklärung, «olympiareife» Juden kämen in den Kader. Demonstrativ wurde die nach den NS-Rassegesetzen als «Halbjüdin» geltende Fechterin Helene Mayer als «Alibijüdin» ins deutsche Aufgebot geholt.
Hitlergruß Doch selbst nach den Rassegesetzen war sie startberechtigt. Der Hitlergruß der «blonden He» bei der Siegerehrung empörte den entlassenen Romanisten Victor Klemperer: «Ich weiß nicht, wo die größere Schamlosigkeit liegt, in ihrem Auftreten als Deutsche für das Dritte Reich oder darin, dass ihre Leistung für das Dritte Reich in Anspruch genommen wird.» Gretel Bergmann, als «Volljüdin» eingestuft, wurde ausgeladen, obwohl sie im Hochsprung Medaillenchancen hatte.
Hauptmann Wolfgang Fürstner, überzeugter Nazi und Kommandant des Olympischen Dorfes, erschoss sich zum Ende der Spiele. Man hielt ihm jüdische Vorfahren vor. Aber das IOC war zufrieden: Noch nach dem Pogrom 1938 bat es das NS-Regime um die Ausrichtung der Winterspiele von 1940.
Nach 1945 logen Olympiafunktionäre wie Carl Diem die Berliner Spiele zur «Oase der Freiheit» und «Insel der Rassengleichberechtigung» oder wie Avery Brundage zum «großen Sieg für die Olympische Idee» um. Heute spricht die Berliner Historikerin Christiane Eisenberg von einer «Auszeit der Regimes»: Im olympischen Sport würden alle Menschen, egal welcher Herkunft, Religion oder Überzeugung, gleich behandelt.
Berlin und DOSB-Präsident Hörmann verschwiegen bei ihrer letzten Olympiabewerbung das Thema 1936 lieber. Und das IOC hat noch keine Historikerkommission gefunden, die den Antisemitismus des höchsten olympischen Gremiums und seine Kollaboration mit der NS-Diktatur aufarbeiten könnte. Auch unter dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach gibt es dazu bisher noch keine Initiative.