Ausstellung

Die Suche nach dem besseren Menschen

»Komposition« (1934) von Otto Freundlich. Aquarell auf Papier Foto: dpa

Radikal und neu waren die wohl wichtigsten Stichworte der Novembergruppe. Die aus der Revolution von 1918/1919 hervorgegangene Künstlervereinigung aus Malern, Bildhauern, Architekten, Schriftstellern, Komponisten und Filmemachern wollte nach dem Ersten Weltkrieg und dem Untergang des Kaiserreiches eine vollkommen neue Gesellschaft schaffen.

Diese »brauchte auch eine vollkommen neue Kunst«, sagte Kuratorin Janina Nentwig jüngst bei der Vorstellung der Ausstellung Freiheit – Die Kunst der Novembergruppe 1918 bis 1935 in der Berlinischen Galerie. Vom 9. November bis zum 11. März 2019 feiert das Haus den 100. Geburtstag des Künstlervereins.

STILE Mit 48 Gemälden, 14 Skulpturen, 12 Architekturmodellen und Zeichnungen, 27 Grafiken und 5 Filmen von 69 Künstlern ist es die erste umfassende museale Präsentation der Novembergruppe. Gezeigt werden Arbeiten unter anderem von Otto Dix, Paul Klee, László Moholy-Nagy, Hannah Höch, Piet Mondrian, Walter Gropius, Mies van der Rohe, George Grosz, Max Pechstein und Kurt Schwitters.

Die pluralistische Novembergruppe war offen für alle Stile – Expressionismus, Kubismus, Dadaismus, Futurismus, Surrealismus – und forderte damit die Sehgewohnheiten heraus. Anfangs verstörten die von Aufbruchseuphorie geprägten Künstler mit ihren Arbeiten sowohl die Kritiker als auch das Publikum. Die Künstler forderten zudem ein umfassendes Mitbestimmungsrecht in allen öffentlichen, kulturellen Fragen. Sie glaubten, dass Kunst den Menschen besser machen könne, und dadurch die gesamte Gesellschaft gewinne, sagte Kurator Ralf Burmeister.

Radikal und neu waren die wohl wichtigsten Stichworte der Novembergruppe.

Das wichtigste Medium der Novembergruppe waren dabei Ausstellungen. Ab 1919 präsentierte sie sich mit eigenen Abteilungen bei der Großen Berliner Kunstausstellung, die vermutlich bis zu Hunderttausende Menschen anzog, und leistete so einen wesentlichen Beitrag zur Akzeptanz der Moderne. Die »engste Vermischung von Volk und Kunst« bei diesen Ausstellungen war ein Hauptziel der Novembergruppe, die nie parteipolitisch agierte, aber gesellschaftspolitisch wirken wollte. Bis 1932 präsentierte sie rund 3000 Werke von mehr als 480 Kunstschaffenden.

 

https://twitter.com/hoellenrose/status/1060478343097839618

Freiheit - Die Kunst der Novembergruppe erzähle die Geschichte der Künstlervereinigung anhand ihrer Ausstellungen, sagte Nentwig. Daher werden fast nur Werke gezeigt, die auch bei der Großen Berliner Kunstausstellung präsentiert wurden. In sechs Kapiteln werden so die Jahre vom angestrebten demokratischen Neubeginn bis zum Untergang im Nationalsozialismus geschildert: »Befreiungsenergien der neuen Kunst«, »Dada und Skandale«, »Abstraktion und Sachlichkeit«, »Neues Bauen«, »Die späte Revolution« und »Erzwungenes Ende«.

WERKE Die erste Krise ereilte die Novembergruppe bereits 1920, als dadaistische Werke der Politik missfielen und eine Bordellszene von Otto Dix aus der Ausstellung entfernt wurde. Einige Künstler erklärten daraufhin ihren Austritt. Als 1924 Ludwig Mies van der Rohe den Vorsitz der Gruppe übernahm, dominierten die Architekten die Vereinigung, und die Verbindung zum Bauhaus war eng.

1935 wurde die Gruppe aus dem Vereinsregister gestrichen.

Mit zunehmender Akzeptanz der Avantgarde und in einer Phase politischer Stabilität verlor die Novembergruppe indes zunehmend an Bedeutung – viele ihrer Ziele schienen wohl erreicht. 1932, auf der letzten Schau vor der Machtübernahme der Nazis, waren nur noch vier Künstler vertreten – aus deren Werken Weltabgewandtheit und Rückzug sprachen. 1935 wurde die Gruppe aus dem Vereinsregister gestrichen.

Die meisten ehemaligen Mitglieder wurden als »entartet« diffamiert, und ihre Werke aus öffentlichen Sammlungen entfernt. Viele wurden verfolgt und mussten fliehen.

Die Ausstellung »Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918-1935« in der Berlinischen Galerie ist bis 11. März mittwochs bis montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Medien

Antisemitische Aggression belastet jüdische Journalisten

JJJ-Vorsitzender Lorenz Beckhardt fordert differenzierte und solidarische Berichterstattung über Jüdinnen und Juden

 26.12.2024

Rezension

Ich-Erzählerin mit böser Wunde

Warum Monika Marons schmaler Band »Die Katze« auch von Verbitterung zeugt

von Katrin Diehl  25.12.2024

Bräuche

»Hauptsache Pferd und Kuh«

Wladimir Kaminer über seine neue Sendung, skurrile Traditionen in Europa und einen Kontinent in der Krise

von Nicole Dreyfus  25.12.2024

Dessau

»Was bleibt«

Am Anhaltinischen Theater setzt Carolin Millner die Geschichte der jüdischen Familie Cohn in Szene

von Joachim Lange  25.12.2024

Kolumne

Aus der Schule des anarchischen Humors in Minsk

»Nackte Kanone« und »Kukly«: Was mich gegen die Vergötzung von Macht und Machthabern immunisierte

von Eugen El  24.12.2024

Rezension

Die Schönheit von David, Josef, Ruth und Esther

Ein Sammelband bietet Einblicke in die queere jüdische Subkultur im Kaiserreich und der Weimarer Republik

von Sabine Schereck  24.12.2024

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024

documenta

Retterin aus den USA?

Naomi Beckwith übernimmt die Künstlerische Leitung der Kasseler Schau, die für 2027 geplant ist

von Eugen El  23.12.2024

Kino

Neue Chefin, neues Festival? Das bringt die Berlinale 2025

Tricia Tuttle übernimmt die Leitung des Filmfests, das vergangenes Jahr von einem Antisemitismus-Skandal überschattet wurde

 23.12.2024