In Deutschland kennt sie kaum noch jemand, auf dem internationalen Kunstmarkt erzielen ihre ausdrucksstarken Bilder sechsstellige Beträge, und in Südafrika gilt sie als die bedeutendste Malerin des Landes. Die Rede ist von Irma Stern.
Ihre jüdischen Eltern, Samuel und Henny Stern, stammten aus Hessen und Niedersachsen und waren 1886 nach Südafrika eingewandert. Samuel Stern eröffnete zunächst einen kleinen Laden in der Kapkolonie, wurde aber später ein erfolgreicher Farmer in dem kleinen Ort Schweizer-Reneke im Transvaal, wo Irma 1894 geboren wurde.
Weimar Nachdem ihr Vater während des Burenkriegs zeitweilig von den Briten inhaftiert worden war, ging ihre Mutter mit ihr und ihrem Bruder Rudi zu Verwandten nach Deutschland und pendelte fortan einige Jahre zwischen hier und Südafrika, bis Irma 1913 in Weimar Kunst zu studieren begann, aber bald gelangweilt nach Berlin in das Levin-Funcke-Studio wechselte. Doch erst, als sie den Expressionisten und Brücke-Maler Max Pechstein traf, hatte sie das Gefühl, ihren wahren Mentor gefunden zu haben.
Dem gefielen ihre Arbeiten; rasch ebnete er Irma den Weg in die Öffentlichkeit. So konnte sie der Berliner »Novembergruppe« beitreten und unter anderem in den bekannten Berliner Galerien Gurlitt und Nierendorff ausstellen. Kurz darauf schon folgten Paris und London.
Sie konnte der Berliner »Novembergruppe« beitreten und in den bekannten Galerien Gurlitt und Nierendorff ausstellen. Kurz darauf folgten schon Paris und London.
In Europa zunehmend erfolgreich, kehrte Stern 1920 vom wilden Ku’damm in das beschauliche Kapstadt und »in die Sonne« zurück. Doch die prüde reaktionäre Kolonialgesellschaft war schockiert von ihren unkonventionellen, modernen Bildern und Skulpturen, die unter anderem auch einige selbstbewusste Ureinwohner zeigten. Der Kapstadter Geldadel rächte sich, von »Qualen in Öl«, »wahnsinnigen Inspirationen« und »Beleidigungen der menschlichen Intelligenz« war da die Rede. Ein Kunstkritiker titelte: »Die Kunst von Fräulein Irma Stern – Hässlichkeit als Kult«. Es kam sogar zu einer polizeilichen Untersuchung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.
Spott Stern musste ernüchtert konstatieren: »Alles was neu ist – und fast alles ist diesen beschränkten Leuten hier neu – wird einfach verspottet, belacht und nachher imitiert.«
Es dauerte, bis das konservative südafrikanische Publikum die Malerin akzeptierte. Doch ab den 40er-Jahren begann sich das Ansehen Irma Sterns ins Positive zu wandeln, auch durch die Anerkennung, die ihr im Ausland zuteil wurde und durch die Unterstützung eines Teils der jüdischen Gemeinschaft in Kapstadt – bis sie irgendwann »die Pechstein von Afrika« war.
Bis dahin hatte die Malerin, in einer Zeit, in der in Südafrika die Apartheid herrschte, auf der Suche nach neuen Motiven vor allem Afrika bereist: den Kongo, Swasiland, Senegal und immer wieder Sansibar, und dabei eine Unzahl liebevoller Studien der indigenen Völker geschaffen. »Es war mein einziger Wunsch, meine glühende Liebe zu Afrika auszudrücken«, so Stern.
Dass Irma Stern in Südafrika heute so verehrt wird, hat auch damit zu tun, dass sie ihre schwarzen Modelle jenseits rassistischer Klischees genauso respektvoll darstellte wie ihre weißen Motive. Sie verstand, dass die Kultur dieser Völker bedroht war – und trug künstlerisch dazu bei, sie vor dem Vergessen zu retten. Nach ihrem Tod 1966 wurde Sterns Sammlung zum nationalen Erbe Südafrikas erklärt.
Kapstadt Das bis heute sehr beliebte Irma-Stern-Museum eröffnete in Kapstadt. 2011 wurde Irma Sterns Portrait eines arabischen Priesters bei Bonhams in London für über drei Millionen Euro verkauft – bis heute ein Rekord für das Werk eines südafrikanischen Künstlers. Auch die Versteigerung von Arab in Black, das für 930.000 Euro einen neuen Besitzer fand, war eine Sensation – Irma Stern hatte das Gemälde ursprünglich verkauft, um Nelson Mandelas juristische Verteidigung mitzufinanzieren.
Der Prestel-Verlag hat Leben und Werk von Irma Stern nun eine ausführliche Biografie samt vielen Abbildungen gewidmet. Es ist nicht zuletzt diese Neuerscheinung, die einmal mehr belegt, wie überfällig es ist, dass die südafrikanisch-deutsch-jüdische Ausnahmekünstlerin, eine Wanderin zwischen den Welten, auch in Deutschland wieder mehr Beachtung findet.
Sean O’Toole: »Irma Stern. Afrikanerin in Europa – Europäerin in Afrika«. Prestel, München 2020. 160 S., 25 €