Herr Kiesel, welche Seminare plant die Bildungsabteilung im nächsten Jahr?
Wir steigen ein mit einem pädagogischen Thema: jüdische Kinder- und Jugendliteratur. Dieser Markt wächst stetig. Wir wollen herausfinden, welche Botschaften diese Literatur den jungen Lesern vermitteln will. Dazu wollen wir mit Autorinnen, Autoren, Verlegern und Übersetzern zusammenkommen.
Gibt es viel zeitgenössische jüdische Kinderliteratur aus Deutschland?
Es ist eine Nische, aber es gibt sie wieder, sie wird gelesen, sie findet Eingang in Schulen und Kitas der jüdischen Gemeinden. Im März werden wir Vertreter der verschiedenen religiösen Strömungen im Judentum einladen und die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft reflektieren. Die Differenzen, gerade was die Rolle der Frau und das Geschlechterverhältnis betrifft, sind doch sehr markant.
Ist die Tagung für beide Geschlechter offen?
Selbstverständlich. Alle Tagungen sind immer offen für alle Mitglieder und Mitarbeiter der jüdischen Gemeinden. Auf einer Tagung im Mai geht es etwa um die Folgen der Traumatisierung durch die Schoa, die mit der ersten Generation nicht abgeschlossen sind. Noch die dritte Generation leidet unter dem, was ihre Großeltern und Eltern erlebt haben – sei es dadurch, dass sie darüber geredet oder dass sie darüber geschwiegen haben. Die dritte Generation ist in einigen Romanen, die jüngst erschienen sind, zu Wort gekommen.
In welchen zum Beispiel?
Etwa Die Enkelin von Channah Trzebiner, die wir auch einladen werden. Sie beschreibt ihre inneren Welten, ihre Erfahrungen und Ängste. All das wird uns wohl auch noch in der vierten und fünften Generation bewegen. Daher wollen wir auf diesem Kongress sowohl mit Angehörigen der dritten Generation als auch mit Wissenschaftlern und Psychoanalytikern aus Israel und den USA diskutieren.
Gibt es wieder eine Sommerakademie?
Ja, dabei geht es um jüdisches Leben in der modernen Welt. Viele junge Leute, auch Zuwanderer, die hier in der zweiten Generation leben, fragen sich, wie sie ihr jüdisches Leben so leben können, dass es mit ihrer Religiosität und mit ihrem sozialen Umfeld in Einklang zu bringen ist. Wir wollen unter anderem Rabbiner einladen, mit denen die Studierenden philosophische und praktische Aspekte jüdischer Lebensführung diskutieren können.
Und was ist mit israelischen Themen?
Im September zeigen wir neue israelische Filme, weil die sehr viel über die israelische Gesellschaft erzählen. Das Seminar soll neugierig machen auf die israelische Gesellschaft, ihre Kritikfähigkeit, Vielfalt und den dortigen Alltag. Das reflektieren Filme in brillanter Weise.
Welche Filme werden gezeigt?
Es sollen ganz aktuelle Werke sein. Im Januar kommt etwa Bethlehem von Yuval Adler in die Kinos, den wir zeigen werden. Im November gibt es dann noch ein Seminar zum jüdischen Humor und im Dezember eine Fachtagung für Mitarbeiter jüdischer Gemeinden und jüdischer Museen.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
Wir konzipieren die Tagungen so, dass zwischen 60 und 100 Besucher teilnehmen können. Das Interesse und die entsprechende Nachfrage sind bisher erfreulich groß. Juden und Jüdinnen unterschiedlicher Altersgruppen und Herkunftsgemeinden reagieren auf unser Programm mit Neugier. Was wollen wir mehr?
Mit dem wissenschaftlichen Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats sprach Ingo Way.