Sie ist die Tochter bekannter jüdischer Schriftsteller: Die Niederländerin Solomonica de Winter (25) hat gerade ihr zweites Buch veröffentlicht – im selben Verlag, der auch ihre Eltern Leon de Winter und Jessica Durlacher für die deutschen Ausgaben unter Vertrag hat. Wer allerdings den Verdacht hegt, hier seien Beziehungen und nicht Talent am Werk, wird durch die Lektüre von de Winters Fantasy-Roman Das Gesetz der Natur eines Besseren belehrt.
Dabei sollte sich die Leserin nicht durch den pathetisch überhöhten Einstieg (»Nun, das ist die erste Epoche von Anbeginn der Welt, höre, das ist die erste Epoche, auf dass du es niemals vergessen mögest«), die ersten anstrengenden zehn Seiten und den sehr eigenen Stil (inklusive einiger Fehlgriffe in der Wortwahl) abschrecken lassen. Denn die dystopische Geschichte entwickelt über insgesamt 175 Kapitel und fast 600 Seiten einen echten Sog und bleibt spannend bis zum Schluss.
plot De Winter, die schon als 17-Jährige mit dem Roman Die Geschichte von Blue (2014) bei Diogenes debütierte, hat einen archaischen Plot entworfen: Nach einer nicht näher beschriebenen (Nuklear-)Katastrophe kämpfen die Überlebenden in Neuamerika in rivalisierenden Stämmen um Land und Einfluss.
Heldin der Geschichte ist die Außenseiterin Gaia Marinos, eine durch die Katastrophe körperlich schwer geschädigte Mutantin. Sie lebt in der Wildnis und wird wider Willen von einem Jäger geschwängert. Die todgeweihte werdende Mutter (alle Mutanten müssen nach dem grausamen »Gesetz der Natur« unter Quarantäne gestellt und dann getötet werden) kämpft gegen zahlreiche Gegner um ihr Leben und das ihres Kindes.
Was Gaia rettet, ist eine Fähigkeit, die in der neuen Welt nur Auserwählte erlernen dürfen: Lesen und Schreiben. »Finde sie. Finde die letzten Bücher aus der alten Welt«, lautet der Auftrag an die Mutantin. Wird sie ihn erfüllen? Das Gesetz der Natur ist der erste Teil einer Trilogie. Auch für eine Verfilmung würde der Stoff gut taugen. Ayala Goldmann
Solomonica de Winter: »Das Gesetz der Natur«. Aus dem Amerikanischen von Meredith Barth. Diogenes, Zürich 2022, 608 S., 25 €