Kann ein Regime durch kulturellen Austausch grundlegend verändert werden? Oder funktioniert es genau andersherum: Wird die Kulturpolitik von antidemokratischen Staaten nicht viel eher als Feigenblatt missbraucht, um ihren eigenen (kulturellen) Einfluss weiter zu festigen?
Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist bekannt dafür, die Kultur als ein wichtiges Instrument der Diplomatie anzusehen. Insofern verwundert es kaum, dass die eigentlich für den 4. Dezember in der Berliner Gemäldegalerie angekündigte Ausstellung der sogenannten Teheran-Sammlung als sein Lieblingsprojekt gilt. Bei der Unterzeichnung der Verträge im Oktober 2015 in Teheran lobte der SPD-Politiker die Schau als ein Signal der Öffnung und als Einladung zum Dialog mit der iranischen Gesellschaft.
spektakulär Und in der Tat ist die Sammlung aus dem Besitz der Familie des Schahs spektakulär. Jahrzehntelang lagerten die rund 60 Schlüsselwerke der amerikanischen und europäischen Moderne im Wert von über drei Milliarden Dollar im Keller des Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst.
Für die Mullahs sind die Werke von Jackson Pollock, Mark Rothko oder Francis Bacon der Inbegriff des verhassten Westens. Umso größer war die Euphorie nach der Unterzeichnung der Verträge in Deutschland. »Die Hauptstadt steht vor einer Kunstsensation«, kommentierte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die geplante Ausstellung.
Doch schon kurz darauf geriet das Projekt zum ersten Mal gehörig ins Stocken. Statt die Öffnung des Landes voranzutreiben, veranstalteten die Mullahs einen Schoa-Karikaturenwettbewerb. Die Preise der »besten« Werke verlieh Vertragspartner Majid Mollanoroozi, Direktor des Teheraner Museums.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zog daraufhin die Reißleine und überwies die für die Organisation der Schau bereits erhaltenen Gelder in Höhe von 2,8 Millionen Euro an das Auswärtige Amt zurück. Mollanoroozi wurde als Ansprechpartner durch einen unverdächtigen Museumsvertreter ausgetauscht. Entsprechende Kritik, dass der Wettbewerb von der angeblich nach Öffnung strebenden Regierung veranstaltet wurde, wurden von deutscher Seite mit Verweis auf bestehende Verträge beantwortet. Aus dem groß angekündigten Coup drohte zum ersten Mal ein Debakel zu werden.
Widerstände Nun wurde bekannt, dass die Ausstellung bis auf Weiteres verschoben werden muss. Die offizielle Begründung: Nachdem der iranische Kulturminister Ali Dschannati zurückgetreten ist, müsse sein Nachfolger Reza Salehi Amiri das Projekt noch freigeben. Dieser aber gilt weder als Freund des Westens noch als ein Befürworter des Kulturaustauschs.
Dazu heißt es von Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt: »Wir haben allen Grund, die von der Regierung des iranischen Präsidenten Hassan Rohani gewollte Öffnung zu unterstützen, auch wenn es Widerstände im Iran gibt.«
Mitte Dezember werden Görgen und Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, in den Iran reisen, um auf Erfüllung der Verträge hinzuwirken. Womöglich wird die Ausstellung bis Ende Dezember eröffnet, unter Umständen aber auch erst 2017 – oder ganz abgesagt.