Wuligers Woche

Die Marx Brothers in Berlin

In »Duck Soup« regiert Groucho Marx einen fiktiven und dysfunktionalen Staat namens Freedonia. Foto: ullstein bild

Als jugendlicher Linksradikaler wollte ich den Staat umstürzen. Das ist mir nicht gelungen. Die Bundesrepublik war zu stabil und ich als Revolutionär nicht wirklich überzeugend. Inzwischen gehöre ich zur älteren Generation und habe nichts mehr gegen einen funktionierenden Staat. Immerhin zahlt der meine Rente.

Wobei es eigentlich im Konjunktiv heißen muss: Ich hätte nichts gegen einen funktionierenden Staat. Denn getreu dem Sprichwort, dass man mit Wünschen vorsichtig sein soll, weil sie in Erfüllung gehen könnten, zerlegt der Staat sich im Moment, wie es aussieht, ganz von alleine.

Marsch In Berlin zum Beispiel wurde gerade eine Oldtimer-Show auf dem Kurfürstendamm abgesagt. Stattfinden sollte sie am 16. Mai. Da ist der Boulevard der City West jedoch bereits reserviert, und zwar für den Al-Quds-Marsch, bei dem alljährlich Islamisten, Nazis und linke Antiimperialisten Arm in Arm lautstark für die Vernichtung Israels auf die Straße gehen.

Judenhass hat in der deutschen Hauptstadt Priorität.

Zwar war die Oldtimer-Show früher angemeldet als die Antisemiten-Demo. Aber, so die Polizei: »Grundsätzlich erfolgen Entscheidungen der Versammlungsbehörde zur Nutzung von Örtlichkeiten im Kollisionsfall durch Herstellung praktischer Konkordanz, das heißt, es werden betroffene Rechtsgüter gegeneinander abgewogen.« In anderen Worten: Judenhass hat in der deutschen Hauptstadt Priorität.

Politisch verantwortlich für die Berliner Polizei ist Innensenator Andreas Geisel von der SPD. Der findet den Al-Quds-Marsch zwar »widerlich«, sieht sich aber außerstande, ihn zu verbieten. Und so werden wir dieses Jahr möglicherweise wie schon 2019 die absurde Situation erleben, dass der Innensenator auf einer Gegenkundgebung mit markigen Worten gegen eine Demo wettert, die seine Behörde zuvor erlaubt hat.

Pläne Derweil ist die Bundesregierung »zutiefst besorgt«. Und zwar über Hochbau im Nahen Osten. Die israelische Regierung hat angekündigt, in den Jerusalemer Stadtvierteln Har Choma und Giv’at HaMatos 5000 neue Wohneinheiten zu genehmigen. »Die Bundesregierung ruft die israelische Regierung erneut dazu auf, von den Plänen Abstand zu nehmen«, ließ das Auswärtige Amt am Freitag verlauten.

Wer nimmt die Ermahnungen dieses Staates noch ernst?

Das ist dieselbe Bundesregierung, die seit Wochen durch eine drittklassige Provinzkrise im Wanken ist. Glaubt in Berlin tatsächlich jemand, dass in Israel und anderswo Ermahnungen eines solchen Staates noch ernst genommen werden? Zumal, und da hört der Spaß auf, nachdem dieser Staat in Hanau bewiesen hat, dass er nicht mal seine Kernaufgabe leisten kann, Leib und Leben der Bürger zu schützen.

Das alles ist wie aus dem Drehbuch von Duck Soup, einem Marx-Brothers-Film von 1933. Dort regiert Groucho Marx einen fiktiven und höchst dysfunktionalen Staat namens Freedonia. Wie immer bei den Marx Brothers reiht ein Chaos sich ans nächste. Im Kino ist das komisch. In der deutschen Wirklichkeit kann ich nicht mehr richtig lachen.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

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Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

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Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

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NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

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Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025