Ausstellung

Die Macht der Bilder

Schillernd: die Schauspielerin Hertha Schroeter, porträtiert von der jüdischen Fotografin Yva (1928) Foto: Ullstein

Ausstellung

Die Macht der Bilder

Das Deutsche Historische Museum Berlin würdigt die frühen Jahre der Pressefotografie

von Marc Peschke  07.08.2017 18:28 Uhr

Im Jahr 1883 erschien in Deutschland das erste Zeitungsfoto. Es war der Anfang eines unvergleichlichen Siegeszugs des Bildes. Vor allem die Möglichkeit des Rotationsverfahrens, das den gemeinsamen Druck von Bild und Text erlaubte, befeuerte die Entwicklung. Die Fotografien lösten nach und nach Holzschnitte und Illustrationen in den Zeitungen ab.

Im Jahr 1919 wurde das erste Paparazzi-Foto gedruckt: der abgedankte deutsche Kaiser im Exil – entstanden in einer politisch turbulenten Zeit. Um dieses Bild machen zu können, hatte sich der Fotograf in einem Heuwagen versteckt. Gedruckt wurde es in vielen Zeitungen, wie etwa auch in der seit 1894 im Verlag Ullstein erscheinenden »Berliner Illustrirten Zeitung« (BIZ) – einem der ersten großen Boulevardblätter.

erfolg Zeitungen erkannten früh die Macht der Bilder. Hinter ihnen standen Verlage wie Ullstein, aus dessen Archiv – das fünf Millionen Fotografien umfasst und wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg überlebt hat – jetzt die Ausstellung Die Erfindung der Pressefotografie im Deutschen Historischen Museum (DHM) zusammengestellt worden ist. Über 300 Bilder zeigt die Schau. Zu Recht ist diese außergewöhnlich schön gestaltete Ausstellung in Berlin zu sehen, denn Berlin war von Anfang an die Metropole der Pressefotografie.

Die Ausstellung versammelt Bilder, die zwischen 1894 und 1945 in der BIZ gedruckt wurden. Um das Jahr 1930 erzielte die Zeitung mit fast zwei Millionen Lesern täglich die größte Reichweite. Ihr Erfolg war auch ein Erfolg der Fotografie. Die Menschen wollten nicht nur lesen, sondern vor allem auch sehen: Bilder des Sports, Bilder von Schauspielern und Filmstars, Bilder aus Kultur und Politik, Bilder aus Wissenschaft und Abenteuer. Bilder aus der feinen Gesellschaft, Bilder aus fernen Welten, Bilder von Rennautos, Flugzeugen und dem Zeppelin.

»Die Zeitschriften der früheren Jahrzehnte brachten im Wesentlichen mehr oder minder ausführliche Texte, die durch Bilder illustriert wurden. Aber erst in einer Zeit, in der das Leben ›durch das Auge‹ eine stärkere Rolle zu spielen anfing, war das Bedürfnis nach visueller Anschauung so stark geworden, dass man dazu übergehen konnte, das Bild selbst als Nachricht zu verwenden«, so hat Kurt Korff, ehemaliger BIZ-Chefredakteur, den Kampf um die Vorherrschaft zwischen Text und Bild zusammengefasst.

Exil Frühe Fotoreportagen, die zunehmend mit leichten Kleinbildkameras wie der Leica entstehen, beschäftigen sich mit der Armut in Berlin. Die ersten Fotoagenturen werden gegründet und haben immer mehr Erfolg. Pressefotografen werden selbst berühmt, wie die jüdischen Fotografen Erich Salomon und Martin Munkácsi, der die Machtergreifung der Nazis in eindrucksvolle, visionäre Bilder gießt. Danach gibt es im Ullstein-Verlag bald keine kritische Berichterstattung mehr. Chefredakteur Korff wird entlassen, um in die USA zu flüchten, wo er die Zeitschrift »Life« mitgründet. Auch Munkácsi geht ins Exil. Salomon wird später im Konzentrationslager ermordet. Der Ullstein-Verlag wird nun zum eifrigen Gehilfen der NS-Propaganda, wie ein weiteres Kapitel der Ausstellung eindrucksvoll vorführt.

In der Schau kann man Entdeckungen machen. Bilder aus der Weimarer Republik zeigen, wie gespalten das Land war: Wir sehen den Glamour – in der Ausstellung finden sich wunderbare, glamouröse Modefotografien von Else Neuländer-Simon alias »Yva« – genauso wie trostlose Hinterhöfe und Obdachlosenunterkünfte oder die fantastischen politischen Hinterzimmer-Reportagen von Erich Salomon. Weitere Fotografen und Fotografinnen der Ausstellung, die oftmals Exklusivverträge mit der »BIZ« hatten, sind unter anderem Georg und Otto Haeckel, Rosemarie Clausen, Philipp Kester, Felix H. Man und Max Ehlert, die allesamt mit Originalabzügen vertreten sind.

Bis heute spannend, bis in die Zeiten der digitalen Bilderflut – auch das beleuchtet die Ausstellung –, ist die Tatsache, dass Pressefotografien immer wieder Debatten um Authentizität und die Wirkung von Bildern auslösen. Die Frage, welches Bild zu veröffentlichen sei, beschäftigte schon die Bildredaktionen des vergangenen Jahrhunderts. Gerade dieser aktuelle Aspekt macht die Präsentation und das Buch so interessant. Denn Fotografie ist vieles: Unterhaltung, Information, Manipulation und Täuschung. Die Täuschung durch die Nazi-Propaganda findet im Frühjahr 1945 immerhin ein jähes Ende: Der letzte Titel der »BIZ« zeigte einen deutschen Panzer – in einer zerstörten Einöde.

»Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894–1945«. Deutsches Historisches Museum Berlin, bis 31. Oktober

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

Hans Rosenthal entdeckte Show-Ideen in Fabriken

Zum 100. Geburtstag des jüdischen Entertainers erzählen seine Kinder über die Pläne, die er vor seinem Tod noch hatte. Ein »Dalli Dalli«-Nachfolger lag schon in der Schublade

von Christof Bock  01.04.2025

Künstliches Comeback

Deutschlandfunk lässt Hans Rosenthal wiederaufleben

Der Moderator ist bereits 1987 verstorben, doch nun soll seine Stimme wieder im Radio erklingen – dank KI

 01.04.2025

Interview

Günther Jauch: »Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit«

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  01.04.2025

Jubiläum

Immer auf dem Sprung

Der Mann flitzte förmlich zu schmissigen Big-Band-Klängen auf die Bühne. »Tempo ist unsere Devise«, so Hans Rosenthal bei der Premiere von »Dalli Dalli«. Das TV-Ratespiel bleibt nicht sein einziges Vermächtnis

von Joachim Heinz  01.04.2025

TV-Legende

Rosenthal-Spielfilm: Vom versteckten Juden zum Publikumsliebling

»Zwei Leben in Deutschland«, so der Titel seiner Autobiografie, hat Hans Rosenthal gelebt: Als von den Nazis verfolgter Jude und später als erfolgreicher Showmaster. Ein Spielfilm spürt diesem Zwiespalt nun gekonnt nach

von Katharina Zeckau  01.04.2025

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  01.04.2025 Aktualisiert

Hans Rosenthal

»Zunächst wurde er von den Deutschen verfolgt - dann bejubelt«

Er überlebte den Holocaust als versteckter Jude, als Quizmaster liebte ihn Deutschland: Hans Rosenthal. Seine Kinder sprechen über sein Vermächtnis und die Erinnerung an ihren Vater

von Katharina Zeckau  01.04.2025

TV-Spielfilm

ARD dreht prominent besetztes Dokudrama zu Nürnberger Prozessen

Nazi-Kriegsverbrecher und Holocaust-Überlebende in einem weltbewegenden Prozess: Zum 80. Jahrestag dreht die ARD ein Drama über die Nürnberger Prozesse - aus der Sicht zweier junger Überlebender

 01.04.2025