Ist Sex ohne Schranken erstrebenswert? Der österreichisch-jüdische Dichter und Dramatiker Arthur Schnitzler (1862–1931) fragte das vor knapp 100 Jahren mit seiner »Traumnovelle«. Die damals vielfach als Skandal empfundene Geschichte von einem Mann auf der Suche nach höchster Lust wurde schon mehrfach für Kino und Bühne bearbeitet.
Die bisher bekannteste Film-Version schuf Regisseur Stanley Kubrick (2001: Odyssee im Weltraum) 1999 mit Nicole Kidman und Tom Cruise in den Hauptrollen unter dem Titel Eyes Wide Shut. Kubrick plädierte darin anders als Schnitzler für exzessive Freizügigkeit.
Geschichte ins gegenwärtige Berlin verlegt
Der deutsche Drehbuchautor und Regisseur Florian Frerichs (Das letzte Mahl) bleibt hingegen dicht an der literarischen Vorlage. Wie Schnitzler setzt er mehr auf Andeutungen als explizite Bebilderungen. Überzeugend hat er die nur wenig mehr als eine Nacht umfassende Story um vertrackte erotische Visionen und Halluzinationen ins gegenwärtige Berlin verlegt. Dabei zeigt sich rasch: Wenn es um die Liebe geht, gilt heute wie seit Jahrtausenden, dass manche Sehnsucht am besten ungestillt bleibt.
Die Hauptrolle des zwischen Verlangen und Verzicht taumelnden Arztes Jakob verkörpert Nikolai Kinski (Plan A – Was würdest du tun?). Der Sohn des Schauspielstars Klaus Kinski (Fitzcarraldo) gibt dem Mittvierziger eine anziehende Ambivalenz.
Er hält die Figur raffiniert in der Schwebe zwischen egozentrischem Schuft und sensiblem Feingeist. Das entspricht perfekt der berühmten Novelle. Die sagt eindeutig, dass Liebe, Sex und alles, was dazu gehört, vor allem von Geheimnisvollem und Unerklärlichem geprägt wird. dpa
»Traumnovelle« – Deutschland 2024, 109 Min., FSK ab 16, von Florian Frerichs. Mit Nikolai Kinski, Laurine Price, Bruno Eyron