Mehr als 70 Jahre nach der Schoa sind der berühmte Filmregisseur Roman Polanski und sein nicht minder berühmter Freund, der Fotograf Ryszard Horowitz, vor einiger Zeit wieder nach Krakau gekommen. Hier hatten sie sich im Ghetto während der deutschen Besatzung kennengelernt.
Die Eltern des kleinen Ryszard, so erzählt es Roman Polanski in dem neuen und in Polen zurzeit viel diskutierten Dokumentarfilm Polanski, Horowitz. Hometown hatten damals alles in Bewegung gesetzt, um ihrem Sohn zu dessen drittem Geburtstag eine echte heiße Schokolade kredenzen zu können. Der aber habe nur einen Schluck genommen, das Gesicht verzogen und den Kopf geschüttelt. Und so sei der damals achtjährige Roman in den Genuss des im Ghetto so raren Kakaos gekommen. Trotz des Altersunterschieds wurden die beiden bald enge Freunde.
Die Weltpremiere hat die Doku der beiden Regie-Debütanten Mateusz Kudla und Anna Kokoszka-Romer nun hinter sich. Vor Kurzem eröffnete sie das 61. Krakauer Filmfestival. Alle Vorführungen über diese jüdische Kinderfreundschaft, die das Krakauer Ghetto bis heute überdauerte, die kommunistische Nachkriegszeit in Polen und viele Jahrzehnte auf verschiedenen Kontinenten, waren restlos ausgebucht.
publikumspreis Am Festivalende gewann der Film den begehrten Publikumspreis. Jetzt warten die Cineasten in ganz Polen schon ungeduldig auf den regulären Kinostart des Dokumentarfilms, der auch in Deutschland in die Kinos kommen wird. (Coronabedingt steht der Starttermin noch nicht fest.)
Das Besondere an diesem Film ist nicht das Neue oder gar Sensationelle, sondern ganz im Gegenteil die historische Zeitreise von Regisseur Polanski (87) und Fotograf Horowitz (82) an Originalschauplätze – das Krakauer Ghetto, das KZ Krakau-Plaszow, die Emaille-Fabrik von Oskar Schindler, das KZ Auschwitz und das Dorf Wysoka bei Krakau.
Auch wenn manche Szenen auf den einen oder anderen Zuschauer mitunter etwas überinszeniert wirken könnten, ziehen die unterschiedlichen Charaktere die Zuschauer immer wieder in ihren Bann: Polanski quirlig, sehr direkt und oft provokativ witzig, Horowitz eher ruhig, nachdenklich und introvertiert. Horowitz kommentiert oft historische Bilder aus dem Off, während Polanski im Hier und Jetzt dominiert.
erinnerungen »Wo beginnen deine ersten Erinnerungen? Im Ghetto oder im Konzentrationslager?«, fragt Polanski unvermittelt seinen Freund und bringt ihn dazu, den Hemdsärmel hochzukrempeln. Da ist sie dann – die Nummer, die die Deutschen in Auschwitz auch kleinen Kindern eintätowierten. Horowitz überlebte den Holocaust – als eines der Kinder, das auf Schindlers Liste stand, dann doch nach Auschwitz deportiert, aber schon bald befreit wurde.
Die meisten Kritiker in Polen loben den Film, sie beeindruckt die Art und Weise, wie die beiden sich an ihre ganz besonderen Lebensgeschichten und an ihr Schicksal in Krakau erinnern.
Polanski überlebte, weil sein Vater rechtzeitig katholische Bekannte um Kost und Logis für seinen Sohn gebeten und ihnen Geld dafür bezahlt hatte. Kurz nach der Deportation seiner hochschwangeren Mutter nach Auschwitz gelang dem kleinen Roman die Flucht aus dem Krakauer Ghetto. Die Bekannten seines Vaters brachten ihn bei einer armen Bauernfamilie im Dorf Wysoka unter, wo er fast zwei Jahre lang blieb. Polanskis Vater aber wurde nach Mauthausen deportiert, überlebte und kehrte nach Krakau zurück.
Die meisten Kritiker in Polen loben den Film, sie beeindruckt die Art und Weise, wie die beiden sich an ihre ganz besonderen Lebensgeschichten und an ihr Schicksal in Krakau erinnern und die Zeitgenossen daran teilhaben lassen. Manch ein Journalist bemängelt zwar, dass die Freunde im Film nicht auch über Roman Polanskis Vergehen in den USA sprechen, doch sie vergessen dabei, dass es im Dokumentarfilm Polanski, Horowitz. Hometown ausschließlich um Kindheits- und Jugenderinnerungen im Ghetto, Konzentrationslager und der unmittelbaren Nachkriegszeit geht.
Andere Filme haben andere Aspekte im Leben des Roman Polanski schon zur Genüge erzählt. Diese Geschichte endet in dem Moment, wo die beiden Freunde Polen für immer verließen.