Archäologie

Die Knochen der Philister

Dreißig Jahre lang haben die Archäologen der »Leon-Levy-Expedition nach Aschkelon« gegraben und mit jedem Fund ein Stück der reichen Geschichte Aschkelons von der Bronzezeit bis zur Zeit der Kreuzritter aufgedeckt. Die Überraschung kam aber erst im 28. Grabungsjahr: Zum ersten Mal überhaupt haben die Forscher Überreste eines Friedhofs der Philister aus der Zeit vom 11. bis zum 8. Jahrhundert v.d.Z. gefunden.

Mindestens 1000 Philister sollen dort begraben worden sein, die Skelette von 210 von ihnen habe man gefunden, so Daniel M. Master, Archäologieprofessor und Leiter der Ausgrabung. Diese begann im Jahr 1985 unter der Leitung von Lawrence E. Stager von der Harvard-Universität, unterstützt durch Leon Levy und Shelby White. Daniel M. Master fing vor 25 Jahren als Student an, in Aschkelon mitzuarbeiten. 2007 übernahm er dann die Leitung der zweiten Ausgrabungsphase.

In diesem Sommer nun geht das Projekt zu Ende – erfolgreich. Einige der Funde werden nun im Rockefeller-Museum, einer Abteilung des Israel-Museums, in Jerusalem gezeigt: Ashkelon: A Retrospective. 30 Years of the Leon Levy Expedition» ist noch bis zum 17. Februar 2017 zu sehen.

Gräber «Bisher wurde vielleicht mal ein Grab mit Töpferwaren entdeckt, aber noch kein Friedhof», erklärt Daniel M. Master. «Nach jahrelanger Erforschung dessen, was die Philister zurückgelassen haben, stehen wir nun zum ersten Mal den Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Mit dieser Entdeckung stehen wir kurz davor, das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften.»

Die Philister gelten laut der Bibel als Erzfeinde der Israeliten. Sie lebten in der Nachbarschaft, in den Städten Aschkelon, Aschdod, Ekron, Gath und Gaza. Die Forscher haben an diesen Ausgrabungsstätten (außer in Gaza) zahlreiche Artefakte wie Schmuck, Waffen und Töpferwaren gefunden, die belegen, wie kulturell verschieden die Philister im Vergleich zu den Israeliten in dieser Zeit gelebt haben.

Doch woher sie tatsächlich kamen und mit welchen anderen Völkern sie sich auf dem Weg an die Küste des heutigen Israel mischten, war bislang nicht bewiesen. Die Forscher gingen lediglich davon aus, dass sie aus der Ägäis stammten. Denn zu Beginn des 12. Jahrhunderts v.d.Z., so die bisherigen archäologischen Ergebnisse, erlebte die Region rund um Aschkelon dramatische kulturelle Veränderungen. Etwa zur gleichen Zeit werden in alten ägyptischen Texten «Seeleute» erwähnt, die in den östlichen Mittelmeerraum zogen.

Die Knochen könnten nun Gewissheit bringen: Derzeit werden unter anderem DNA- und Radiokarbontests durchgeführt. «Wir schauen uns beispielsweise auch das Gebiss dahingehend an, ob es zusätzliche Zähne gibt, oder ob welche fehlen», so die Anthropologin Sherry Fox. Dadurch lässt sich überprüfen, wie die Philister gelebt und sich ernährt haben, aber eben auch, inwiefern sie mit den anderen Bevölkerungsgruppen im mediterranen Raum verwandt sind.

Schmuck Gleichzeitig gibt der Friedhofsfund auch Aufschluss über die Bestattungskultur der Philister, die sich von der anderer Völker in der damaligen Zeit unterscheidet: Die Philister beerdigten die Verstorbenen jeweils in separat ausgehobenen Gruben, egal ob männlich, weiblich, jung oder alt. Einmal begraben, wurden die Toten nicht mehr gestört. Nur manchmal wurden später neue Leichen in dieselbe Grube gelegt. Teilweise wurden die Toten auch eingeäschert. Eine Urne aus Ton ist Teil der derzeitigen Ausstellung in Jerusalem, genauso wie Schmuck, den die Toten bei sich trugen.

Einige der Gräber sind so gut erhalten geblieben, dass die Forscher sehen konnten, mit welchen Grabbeigaben manch ein Philister bestattet wurde: mit Tonkrügen, die wohl mit parfümiertem Öl gefüllt waren, Vorratsgefäßen und kleinen Schüsseln sowie mit Armbändern, Ohrringen und sogar Waffen. «Meistens können wir bei Armbändern nicht mehr sagen, in welcher Reihenfolge die Steine oder Perlen aufgezogen wurden. Hier aber hat man ein komplettes Armband am Arm eines Skeletts entdeckt», erklärt Kuratorin Nurith Goshen bei einer Führung durch die Ausstellung.

Handelszentrum Doch so bahnbrechend und spannend der Fund des Philisterfriedhofs auch ist: Die Archäologen betonen gleichzeitig, wie wertvoll die anderen Entdeckungen aus Aschkelon sind – schließlich hat die Stadt eine lange Geschichte, die bis in die Bronzezeit, ins vierte Jahrhundert v.d.Z., reicht. Die Ausstellung zeigt Bruchstücke von Tongefäßen, die in einer Bahn auf mehreren Metern ausgelegt sind – chronologisch angeordnet, aus der Zeit der Kanaaniter, der Philister, der Phönizier, der Ptolemäer, bis hin zu der Zeit der Römer, der Muslime und der Kreuzritter im 13. Jahrhundert n.d.Z.

Die Stadt war ein wichtiges Handelszentrum, ihr Hafen verband den Nahen Osten und den Mittelmeerraum. So wurden beispielsweise Marmorstatuen gefunden, die sowohl die römische Kaiserin Salonina als auch mythologische Figuren wie Hermes, Aphrodite oder Pan zeigen.

Marmor war in Aschkelon selbst nicht vorhanden und musste aus Ägypten, der Türkei und Griechenland importiert werden. Auch Schmuck und verschiedene Münzen der Ausstellung zeugen vom Handel mit anderen Regionen.

Außerdem wurden Überreste einer Synagoge mit dem Symbol der Menora, ein muslimischer Grabstein und ein Kapitell mit einem eingravierten Kreuz ausgegraben – ein Brückenschlag zur heutigen Zeit, in der noch immer Menschen aller drei monotheistischen Glaubensgemeinschaften in dieser Region zusammenleben.

Informationen zur Leon-Levy-Expedition: digashkelon.com/expedition
Informationen zur Ausstellung im Rockefeller-Museum: www.imj.org.il/exhibitions/presentation/exhibit/?id=1103

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  15.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025