Podcast

Die Jungs von nebenan

Men at Work: Eytan Weinstein und Naor Meningher mit ihrem Gast Michael Oren (l.), Abgeordneter in der Knesset Foto: Naor Meningher

Israel ist ein Land der Widersprüche. Kaum eines fasziniert so viele so sehr wie der jüdische Staat – sei es aufgrund seiner kulturellen Vielfalt, seiner dramatischen Geschichte oder seiner religiösen Facetten. Gleichzeitig wird kein anderes Land so sehr auf einen politischen Konflikt reduziert wie Israel.

Zwei junge Tel Aviver haben sich geschworen, dass es auch anders geht – und einen Podcast ins Leben gerufen, der so humor- und liebevoll ist, wie der Name es vermuten lässt. »Two Nice Jewish Boys« haben sich die beiden ehemaligen Filmstudenten der Tel Aviver Universität genannt, zu Deutsch: zwei nette jüdische Jungs.

spontan Ohne den Anspruch, die perfekte Show zu liefern, unterhalten sich die beiden 29-Jährigen in typischer Tel Aviver Lockerheit mit hochkarätigen Gästen, die wie selbstverständlich in die Sendung der beiden »Jewish Boys« kommen.
Da erzählt der legendäre Schauspieler Chaim Topol, wie er an die Rolle des jüdischen Milchmanns Tevje in Anatevka kam.

Der in Frankfurt geborene Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Aumann erinnert sich an seine ersten Jahre in Nazi-Deutschland. Und Israels ehemaliger Botschafter in Washington lässt die Tage Revue passieren, in denen Benjamin Netanjahu den damaligen US-Präsidenten Barack Obama mit seiner Rede vor dem US-Kongress düpierte.

Schon die Liste der Interviewpartner verrät etwas über Israel, was sich von außen nur erahnen lässt: das Ausmaß israelischer Chuzpe. Wie selbstverständlich holen die beiden jungen Hobby-Reporter die größten Namen des Landes in ihre Sendung. Und lassen, wie es in Israel üblich und für deutsche Hörer erfrischend ist, übermäßigen Respekt vor Autoritäten gelegentlich vermissen.

Neugier Eytan und Naor stellen ihre Fragen nicht, um ihre Gäste gut dastehen zu lassen. Sie wollen keine Antwort hören, die sich, auf Papier gedruckt, besonders schick liest. Stattdessen gefallen sich die beiden Israelis in der Rolle der »zwei netten jüdischen Jungs«, die so lange nachbohren, bis ihre ehrliche Neugier gestillt ist.

»Wir glauben, dass es unglaubliche Geschichten und faszinierende Persönlichkeiten gibt, die Menschen weltweit faszinieren«, erklärt Naor der Jüdischen Allgemeinen seine Motivation für den Podcast. »Diese Geschichten wollen wir auf Englisch allen zu hören geben, ob Juden oder Nichtjuden.«
Ungewöhnlich sind die Geschichten allemal.

Genannt sei das Leben von Sarah Aaronsohn, der jüdischen Spionin im Ersten Weltkrieg und späteren Gallionsfigur der Zionisten, deren tragischen Lebensweg ihr Biograf Gregory Wallace nacherzählt. Oder der im Rollstuhl sitzende Start-up-Unternehmer Yariv Bash, der nach einer durchzechten Nacht in Tel Aviv beschloss, das erste israelische Raumfahrzeug auf den Mond zu schießen.

politik Doch so ganz ohne Politik kommen auch die »Two Nice Jewish Boys« nicht aus. Der Podcast ist oft hochpolitisch, doch ohne in ideologische Grabenkämpfe abzugleiten. Dies liegt vor allem an Naor und Eytan, die kritisch, aber liebevoll auf ihr Land blicken und nicht versuchen, mit ständiger Schelte des jüdischen Staates bei ausländischen Hörern zu punkten.

Unter ihren Gästen finden sich linke Spitzenpolitiker wie Tamar Zandberg, Chefin der Meretz-Partei, oder Aluf Benn, Chefredakteur der linksliberalen und stets regierungskritischen Zeitung »Haaretz«, denen Eytan und Naor mit jungenhafter Offenheit begegnen. Ebenso wie Lahav Harkov, Parlamentsreporterin der konservativen »Jerusalem Post«, und Sharren Haskel, der Nachwuchshoffnung der Netanjahu-Partei Likud.

Es ist die neugierige, stellenweise fast naive, aber doch stets intelligente Art der beiden jungen Tel Aviver, die den Unterschied macht. Schnell merken die Politiker, dass Eytan und Naor nicht bloßstellen, entlarven und enthüllen wollen. Ja, dass sie am tagesaktuellen Geschehen und den neuesten Polit-Intrigen viel weniger interessiert sind als an der Frage: »Wie bist du eigentlich dazu gekommen, das zu tun, was du heute tust?«

Markenzeichen Das Resultat sind Geschichten, deren Nenner das Land ist, in dem sie wirken: Israel. Doch ihre hochkarätigen Gäste, längst Markenzeichen der Show, waren zu Beginn des Experiments gar nicht vorgesehen. »Wir haben spontan mit dem Podcast angefangen«, erinnert sich Naor an den Sommer 2016. »Ich habe Eytan nur mit Mühe überzeugt, es auszuprobieren. Wir wussten nichts über Podcasts, und die erste Idee war, über die vergangene Woche zu plaudern. Sehr schnell haben wir gemerkt, dass Gäste dafür unerlässlich sind. Sie sind es, die Hörer anziehen.«

Seit nunmehr zwei Jahren treffen sich die beiden 29-Jährigen fast wöchentlich zum Aufnehmen ihres Podcasts, dessen mittlerweile 111 Folgen auf Spotify, Soundcloud und anderen Audio-Plattformen kostenlos zu hören sind. Unterstützt werden sie etwa vom »Jewish Journal« aus Los Angeles, aber auch von treuen Zuhörern, die dank der englischen Sprache aus Dutzenden von Ländern kommen.

Ein Ende des Podcasts ist vorerst nicht abzusehen. Zumindest nicht, bis Eytan und Naor einen ganz besonderen Gast von ihrer Liste streichen können. Denn auf die Frage, wer denn der Traumgast der »Two Nice Jewish Boys« wäre, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: »Bibi!«

www.2njb.com

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025