Über eine Ikone wie Barbra Streisand ist schon viel geredet und geschrieben worden. Im Alter von 81 Jahren hat die in Brooklyn aufgewachsene Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin nun aber endlich selbst das Wort ergriffen und ihre Autobiografie geschrieben: My Name is Barbra.
Auf fast 1000 Seiten berichtet die Ausnahme-Entertainerin ebenso chronologisch wie akribisch unter anderem von ihrer schwierigen Kindheit, ihrem Durchbruch als Sängerin und dem späteren Erfolg auf Theaterbühnen und in Hollywood.
Bereits vor 40 Jahren hatte die ehemalige First Lady Jacqueline »Jackie« Kennedy Onassis, die nach der Ermordung ihres Mannes als Buchlektorin arbeitete, Streisand vorgeschlagen, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Das hätte dem Leser zumindest etwas Arbeit und Zeit erspart.
»Es war schöner, vom Ruhm zu träumen, als berühmt zu sein.«
Barbra Streisand
Streisand nahm seit ihrem 14. Lebensjahr Schauspielunterricht, die ersten Erfolge feierte sie jedoch als Sängerin in den Nachtklubs von Brooklyn und Manhattan Anfang der 60er-Jahre. Eine formelle Gesangsausbildung hat sie nie genossen. Allerdings brachte der Erfolg ihr nicht nur Bewunderung ein. Schon im Prolog ihrer Memoiren gesteht sie, dass ihr Kritik, sei sie positiv oder negativ, sehr nahe gehe. »Sogar nach all diesen Jahren schmerzen mich die Beleidigungen und kann ich Lob kaum glauben«, schreibt die Frau, die weltweit mehr als 150 Millionen Alben verkauft hat.
Oscars, Golden Globes, Emmys und Tony Awards
Wir lernen einen Menschen kennen, der schon früh wusste, was er wollte, und der gleichzeitig auch nach all den Oscars, Golden Globes, Emmys und Tony Awards (der Oscar für Musicaldarsteller) von Selbstzweifeln geplagt wird. Als Grund dafür identifiziert Streisand den frühen Tod ihres Vaters und eine lieblose Beziehung zur Mutter. Emanuel Streisand war Lehrer gewesen und starb unerwartet, als seine Tochter gerade einmal 15 Monate alt war. Plötzlich mit zwei kleinen Kindern auf sich allein gestellt, zog die überforderte Mutter in eine Sozialwohnung. Später habe sie einen Gebrauchtwagenhändler geheiratet, der mit seiner Stieftochter nur sprach, wenn er deren Äußeres kritisieren wollte.
Trotz Herabwürdigung und Hänselei wegen Äußerlichkeiten, die Streisand als Kind und auch als junge Frau zusetzten, hatte sie immer genug Selbstvertrauen, eine Nasenoperation abzulehnen. Außerdem habe sie Angst vor den Schmerzen gehabt und sich nicht vorstellen können, einem Arzt in dieser delikaten Angelegenheit zu vertrauen. »Wer sagt denn, dass er nicht zu viel abschneiden würde?«, habe sie sich gefragt.
Auf der Suche nach Anerkennung und Unterstützung, die sie als Kind so sehr vermisst habe, orientierte sie sich bald an älteren Freundinnen und deren Partnern. Einige wurden zu ihrer zweiten Familie. Eine dieser Ersatzmütter war übrigens Virginia Clinton, die Mutter des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Streisand und die lebenslustige Südstaatlerin lernten sich Anfang der 90er-Jahre kennen, als sich die Schauspielerin zunehmend politisch engagierte und Spenden für die demokratische Partei sammelte. Bis zu Virginia Clintons Tod im Jahr 1994 telefonierten die beiden fast jede Woche.
Faszinierend und amüsant sind die Kapitel, in denen das Multitalent den Leser an seinem Schaffensprozess teilhaben lässt. So berichtet Streisand unter anderem von einer Schauspielstunde, in der sie mit einem Kollegen eine Szene erarbeiten musste. In der sollte sie ihn begehren, doch fand Streisand ihr Gegenüber nicht sonderlich attraktiv. »Ich erinnerte mich daran, dass Schauspieler authentisch und ehrlich sein sollen, und stellte ein Stück Schokoladenkuchen in eine Ecke der Bühne. So konnte ich über seine Schulter gucken und mich nach dem sehr attraktiven Kuchen verzehren!«, schreibt sie.
Vorliebe für gutes Essen und Einkaufen
Aus ihrer Vorliebe zu gutem Essen macht Streisand kein Hehl. Außerdem sammelt sie Kunst und geht offensichtlich gern einkaufen. Dass Letzteres seit ihrem Durchbruch mit dem Musical und dem gleichnamigen Film Funny Girl aus dem Jahr 1968 nicht mehr so leicht möglich ist, kann sie nur schwer akzeptieren. »Manchmal denke ich, dass es schöner war, vom Ruhm zu träumen, als tatsächlich berühmt zu sein.«
Yentl, der für Streisand selbst wohl persönlichste und erfolgreichste ihrer gut 20 Filme, brauchte 15 Jahre von der Idee bis zu seiner Verwirklichung. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, erzählt er die Geschichte einer jungen polnischen Jüdin, die lieber wie die jungen Männer in der Jeschiwa Tora lernen will, anstatt für sie zu kochen. Schließlich verkleidet sie sich als Mann und wird aufgenommen.
Die Geschichte sei zu jüdisch, sagten die Studiobosse in Hollywood damals. Streisand, die ihr Jüdischsein nie verheimlicht hatte, fühlte den Antisemitismus und war empört. »Ich war immer stolz auf meine jüdischen Wurzeln. Meine jüdische Herkunft ist ein Teil von mir.« Und wie eigentlich immer in ihrem Leben gab sie nicht auf. Am Ende schrieb sie das Drehbuch, spielte die Hauptrolle, führte Regie und produzierte den Film selbst. Mit Yentl gewann sie als erste Frau einen Golden Globe für die beste Regie. Aber auch dafür, dass sie alles selbst machte, wurde sie heftig kritisiert. Vor allem von männlichen Kollegen.
Immer wieder als kontrollierend und besserwisserisch verkannt, geht Streisand als Chronistin ihres eigenen Lebens mit Kritikern und Zweiflern auch hart ins Gericht. Schlechter als Männer, die ihr als Frau nichts zutrauten, kommen nur Frauen weg, die Geschlechtsgenossinnen Steine in den Weg legen. Und auch Gossip gibt es, wenn sie gleich von mehreren Affären mit anderweitig vergebenen Männern berichtet, die ihr aber nicht gutgetan hätten.
Streisand gewann als erste Frau einen Golden Globe für die beste Regie.
Mittlerweile ist Streisand seit mehr als 25 Jahren mit dem Schauspielkollegen James Brolin in zweiter Ehe glücklich verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe mit Elliott Gould stammt der gemeinsame Sohn Jason Gould, ebenfalls Sänger, der gerade die neue Single World Gone Crazy veröffentlicht hat.
Für ihr Lebensmotto bemüht Streisand übrigens den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe: Im Moment der Verpflichtung verschwört sich das gesamte Universum, dir zu helfen, lautet die Paraphrase. Auch sich durch dieses Buch zu arbeiten, ist eine Verpflichtung. Und als Belohnung kann man mitnehmen, dass Perfektionismus nichts Schlimmes sein muss.
Barbra Streisand: »My name is Barbra«. Viking, New York 2023, 992 S., 31,99 €