Wer war Magdalena Kopp? Idealistin, Mitläuferin, Überzeugungstäterin oder Terroristin? Die Ehefrau des berüchtigten Terroristen Carlos lebt heute wieder im provinziellen Neu-Ulm im Schwabenland, von wo sie einst entfloh. Das ist die bittere Ironie ihrer Lebensgeschichte. Als junge Frau wollte sie der heimatlichen Spießigkeit entkommen und Fotografin werden. Ihr Weg führte sie nach Frankfurt, Paris, Budapest, in den Nahen Osten, nach Venezuela und wieder zurück.
dunkelkammer Der israelische Regisseur Nadav Schirman hat sich in einer filmischen Reise auf die Spuren von Magdalena Kopp gegeben. Dabei setzt er in seiner Dokumentation In the Dark Room nicht auf den klassischen Interviewfilm, sondern auch auf eine »Mise en scène«. Er hat eine Dunkelkammer – englisch: Dark Room – nachgebaut und spielt damit auf die Rolle von Magdalena Klopp als begabte Fälscherin von Ausweispapieren und Dokumenten an.
In eben so einer Dunkelkammer hatte sie einst Carlos kennengelernt, der vorgab, etwas über das Entwickeln von Fotos erfahren zu wollen, tatsächlich aber der jungen Frau nur an die Wäsche wollte. Abgestoßen habe er sie damals, sagt Kopp heute. Sie schaut dabei direkt in die Kamera. Man sieht die hart gewordenen Gesichtszüge, hört ihre tiefe, raue Stimme. Magdalena Kopp ist müde, auch wütend über ihre vielen falschen Lebensentscheidungen.
Sie bestreitet, jemals aus Liebe mit Carlos zusammen gewesen zu sein. Es sei mehr eine Mischung aus Bewunderung und Angst gewesen. Das allerdings ist für Carlos’ ehemaligen Weggefährten Hans-Joachim Klein nicht glaubwürdig. Klein, der sich vom Terrorismus lossagte, als nach einer Flugzeugentführung in Entebbe 1976 deutsche Carlos-Genossen die Passagiere nach Juden und Nicht-Juden selektierten, nennt Magdalena Kopp wenig freundlich »Madame Grimm« – die Märchenerzählerin.
Anders als viele Fiktionen, vor allem der grandiose fünfstündige Spielfilm Carlos – Der Schakal von Olivier Assayas, demystifiziert Nadav Schirman den in Frankreich im Gefängnis einsitzenden Berufsrevolutionär, Söldner und Terroristen. So zeigt er in mit Archivbildern angereicherten Interviewpassagen, wie stümperhaft Carlos und seine diversen Gruppen oft ihre Aktionen ausführten. 1975 etwa wollten er und die palästinensische PFLP in Paris eine EL-AL-Maschine abschießen. Mit einer Rakete trafen sie stattdessen ein jugoslawisches Flugzeug.
hype Der Mythos, den die Medien um Carlos kreierten, war immer größer als der Mann selbst. Diesen Hype karikiert Schirman, indem er Szenen aus einem billigen Actionfilm der 70er-Jahre namens Carlos der Bandit zwischenschneidet. Nadav Schirman, Sohn eines Diplomaten und in Europa aufgewachsen, ist kein klassischer Dokumentarfilmemacher, sondern sieht sich selbst als Autodidakten. Für In the Dark Room hat er extra Deutsch gelernt.
Seinen emotionalen Höhepunkt erreicht der Film im letzten Drittel, wenn Magdalena Kopps und Carlos’ heute erwachsene Tochter Rosa während der Dreharbeiten erstmals ihren Vater im Gefängnis besucht. Sie kommt gleichzeitig verwirrt, hoffnungsvoll und enttäuscht zurück. Ihr Vater hat sie fast nichts Persönliches gefragt, nur schwadroniert, die ewig leeren pseudorevolutionären Phrasen verwendet. Wie sagt Hans Joachim Klein im Film: »Bei Carlos stellte sich immer nur die Frage ›How much?‹. Er tötete im Auftrag für Geld.«
Eben das zeigt diese ebenso intelligente wie gnadenlose Dokumentation, die diese Woche in die hiesigen Kinos kommt. In the Dark Room ist ein filmischer Blick von außen auf ein Stück deutsche und europäische Zeitgeschichte und ein faszinierendes Puzzle um einige der damals handelnden Personen.