Jeanine Meerapfel breitet alles aus, was ihre Mutter zurückgelassen hat: Fotos, Pässe, Bücher, 8mm-Aufnahmen, die Handtaschen aus Krokodilleder, das Geschirrset, das ihr die Schwiegereltern zur Hochzeit geschenkt haben. »Es ist, als würden die Dinge nach einer Erzählung verlangen, die sie in einen übersichtlichen Zusammenhang bringt«, sagt die Regisseurin in einer monotonen, fast unbeteiligten Stimme, die von nun an den Zuschauer durch den Film begleiten wird.
In Eine Frau macht sich Meerapfel auf die Suche nach Marie-Louis, genannt Malou, ihre Mutter. Geboren 1911 in einer französischen Kleinstadt und in ärmlichen Verhältnissen, wächst sie zu einer schönen Frau heran. Mit ihrem blonden Haar, ihrer zierlichen Figur und dem melancholischen Blick fällt sie einem wohlhabenden deutsch-jüdischen Kaufmann aus Untergrombach auf. Die beiden heiraten, und Malous Glück scheint besiegelt – doch wohin es sie in den nächsten Jahrzehnten auch verschlagen wird, sie wird sich stets fremd fühlen.
WEG Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Argentinien: Meerapfel folgt in ihrem Film dem Weg ihrer Mutter, den sie zunächst zusammen mit ihrem Mann auf der Flucht vor den Nazis und später, nach der Trennung, allein gehen musste. Die Regisseurin versucht, ihre Mutter, der stets etwas Distanziertes und Verschlossenes eigen war, zu verstehen – und damit auch ihr eigenes Leben.
1943 ist Jeanine Meerapfel in Buenos Aires geboren und aufgewachsen. In den 60er-Jahren zog sie nach Berlin, wo sie zu einer bekannten Filmemacherin wurde. Der Titel ihres Debüt-Spielfilms von 1981: Malou. 40 Jahre später widmet sich Meerapfel, die seit 2015 Präsidentin der Berliner Akademie der Künste ist, mit Eine Frau nun erneut ihrer Mutter. Immer wieder stößt man in dem Film auf Lücken der Biografie Malous, die ihre Tochter mit Fantasie zu füllen versucht. »Was wir nicht sehen, ist auch Teil dieser Geschichte«, sagt sie an einer Stelle. Meerapfel spielt in Eine Frau mit der Abwesenheit, mit der Unmöglichkeit, die Geschichte eines Menschen wirklich konsistent zu erzählen.
Dabei legt sie offen, wie der Film gemacht ist. Die Kamera bleibt nicht unsichtbar, sondern wird selbst zum Akteur, und die Regisseurin beteiligt den Zuschauer an ihrer Recherche und an ihren Zweifeln: Kann sie es mit den Mitteln des Films schaffen, das Chaos des Lebens zu ordnen? Das Rätsel, das ihre Mutter für sie bedeutet, lösen? Und will sie das überhaupt? Denn »andererseits«, sagt die Regisseurin einmal aus dem Off, »birgt die Unordnung ein enormes Versprechen«.