Klimawandel

Die CO2-Fischer

Die Meere sind sauer – und das nicht im übertragenen Sinn. Weil die Ozeane erhebliche Mengen an Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen, sinkt ihr pH-Wert. Dieser ist ein Maß für das Gleichgewicht von Säuren und Basen im Wasser. Fällt die Zahl der Wasserstoff-Ionen, geht der pH-Wert nach oben, im umgekehrten Fall nach unten. Und Letzteres mögen Korallen und andere Bewohner der Ozeane überhaupt nicht, sondern macht ihnen gewaltig zu schaffen. Genau das wiederum hat auch gravierende Folgen für uns Menschen.

Die Tatsache, dass die Meere dieser Welt gewaltige CO2-Speicher sind, deren Kapazitäten aber nicht unbegrenzt sind, brachte zwei israelische Forscher auf eine Idee. Sie haben eine Methode entwickelt, wie sich relativ schnell große Mengen Kohlendioxid aus dem Meerwasser herausholen lassen, sodass dieses wieder problemlos mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen kann, ohne den Prozess einer Versauerung zu beschleunigen. »Die Ozeane absorbieren auf ganz natürliche Weise rund ein Viertel der von Menschen produzierten Kohlenstoffemissionen«, erklären Dan Deviri, der bereits im Alter von 14 Jahren am Technion in Haifa Biologie und Chemie zu studieren begann, sowie Iddo Tzur, Physiker und Absolvent des prestigeträchtigen Talpiot-Programms der Armee, das Konzept in der israelischen Wirtschaftszeitung »Globes«.

Die Methode der beiden basiert auf einer recht simplen Lösung.

»Unsere Technologie schafft also Raum, um noch mehr zu absorbieren«, so die beiden Wissenschaftler, die zugleich Gründer von CarbonBlue sind, einem Start-up, das das Konzept auch in der Realität umsetzen und vermarkten will.

Die meisten Ansätze in der Forschung konzentrieren sich auf das Herausfiltern von CO2 aus der Luft. Solche Techniken seien aber noch lange nicht ausgereift, sehr aufwendig und mitunter zu teuer. Auch wären die Kapazitäten gering, so hätte man auf diese Weise gerade einmal 10.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr gewinnen können, berichten die beiden Israelis. Das sei definitiv zu wenig, um einen positiven Effekt auf das Klima zu erzielen. Ihre Methode dagegen basiere auf einer recht simplen Lösung, die den großen Vorteil hätte, sich in bereits bestehende Anlagen, beispielsweise Kühlkreisläufe von Kraftwerken, integrieren zu lassen.

»Ein Blick auf das Kraftwerk Orot Rabin bei Hadera reicht«, sagt Deviri gegenüber der »Times of Israel«. »Allein das Wasser, das dort zur Kühlung der Turbinen genutzt wird, könnte 250.000 Tonnen CO2 pro Jahr abgeben«, so die Rechnung des Experten. »Ein einziges Kraftwerk in Israel, wenn auch das größte, könnte also locker das 25-Fache der derzeitigen weltweit existierenden Kapazitäten zur technischen Kohlendioxidfilterung erreichen.« Außerdem sei die CarbonBlue-Technik für viele Unternehmen interessant, die ihre CO2-Bilanz verbessern wollten.

Und so funktioniert die Technik von CarbonBlue: Erst vermischt man Wasser mit Kalk, wodurch eine chemische Reaktion ausgelöst wird. Das Kohlendioxid wird abgespalten, verbindet sich mit dem Kalk und bildet so einen Kalkstein – ein Prozess, der normalerweise drei Tage dauern würde, dank »unserer Geheimsauce«, wie Deviri die CarbonBlue-Technik etwas salopp bezeichnet, aber nur drei Minuten. Am Ende bleiben weiße Kügelchen aus 97 Prozent reinem Kalkstein übrig. Das Wasser dagegen kann sofort wieder ins Meer oder in einen See geleitet werden – schließlich lassen sich laut CarbonBlue sowohl Salz- als auch Süßwasser dafür benutzen. Durch eine Umkehrung des Prozesses, den man gemeinsam mit der University of North Dakota entwickelt hat, kann der Kalkstein anschließend in Kalk sowie fast reines CO2 getrennt und beides weiterverwendet werden.

Aus 12.000 Kubikmetern Meerwasser sowie 4000 Kubikmetern Brackwasser könnte eine Tonne CO2 gefiltert werden.

Noch befindet man sich in der Testphase. Im Kibbuz Maagen David nahe Haifa steht bereits eine Art Reaktor für den ersten Arbeitsschritt, der wie ein gigantischer Hydrant aussieht und mit der dortigen Meereswasserentsalzungsanlage gekoppelt werden soll. Die Anlage für die Trennung des Kalksteins muss noch von der University of North Dakota nachgeliefert werden, sei aber im Bau. Steht die Technik, hoffen Deviri und Tzur aus 12.000 Kubikmetern Meerwasser sowie 4000 Kubikmetern Brackwasser eine Tonne CO2 herauszufiltern. Dabei will man auch testen, wie hoch der Energieverbrauch im Alltagsbetrieb ist und auf Basis dieser Daten kalkulieren, welche Kosten den Nutzern der Technik entstehen.

Dank der »Geheimsauce« spaltet sich das Kohlendioxid blitzschnell vom Wasser ab.

CarbonBlue ist nur eines von vielen jungen Unternehmen, die sogenannte Carbon-Dioxide-Removal-Lösungen, kurz CDR genannt, entwickeln und im größeren Stil marktfähig machen wollen. Auch in Israel gibt es immer mehr davon – obwohl man im internationalen Vergleich diesen Trend erst spät erkannt hat. Gab es 2021 nur drei Start-ups in dem Bereich, so waren es 2022 schon ein Dutzend. Laut dem jüngsten »Israelʼs State of Climate Tech 2023«-Report beschäftigt sich mittlerweile bereits jedes sechste neue Start-up mit dem Thema Klimatechnologien. Das Potenzial wird nun auch von Investoren erkannt. So konnte CarbonBlue dieser Tage vermelden, dass man in einer ersten Finanzierungsrunde zehn Millionen Dollar mobilisieren konnte, die jetzt in die weitere Entwicklung zur Marktfähigkeit fließen sollen.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025