Weltraumforschung

»Die Chance, dass wir alleine sind, ist verschwindend gering«

Oumuamua gilt als der erste von Menschen entdeckte Himmelskörper, der von außerhalb unseres Sonnensystems stammt. Foto: dpa

Seit Avi Loeb sein neues Buch Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten veröffentlicht hat, kann er sich vor Interviewanfragen nicht mehr retten. Dem Fachblatt »Scientific American« teilte Loeb mit, bereits zehn Filmemacher und Hollywood-Produzenten hätten ihn in den letzten Wochen kontaktiert. Im Spaß habe er seinem Agenten mitgeteilt, dass er im Film von Brad Pitt gespielt werden möge, weil der ihm ähnlich sehe.

HARVARD Eigentlich bietet Loebs Karriere nicht den typischen Stoff für einen Hollywood-Streifen. 1962 wurde er in Beit Hanan südlich von Tel Aviv geboren. Bereits mit 24 Jahren promovierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem in Plasmaphysik. Anschließend ging er in die USA. Zwischen 1988 und 1993 war Loeb Mitglied des Institute for Advanced Study an der Princeton University. Er fing an, sich mit theoretischer Astrophysik zu beschäftigen. 1993 wechselte er an die Harvard University, wo er seitdem forscht und lehrt.

Loeb gilt heute als einer der bekanntesten Astrophysiker Amerikas und leitet die Abteilung für Physik und Astronomie an der Nationalen Akademie für Wissenschaften, Ingenieurswesen und Medizin der USA. Er ist alles, nur kein Außenseiter in der Community der Weltraumforscher.

OUMUAMUA Umso mehr lässt Loeb mit einer Theorie aufhorchen, die er jetzt mit seinem Buch einem breiteren Publikum nahe bringen möchte: Es sei höchst wahrscheinlich, dass es in anderen Galaxien Planeten gebe, die der Erde sehr ähnlich seien. Loeb ist auch überzeugt davon, dass das von einem Teleskop auf Hawaii entdeckte und Oumuamua (»Bote aus der Vergangenheit«) genannte Flugobjekt, das im Oktober 2017 für kurze Zeit unser Sonnensystem durchkreuzte, nicht nur einer anderen Galaxie entstammte, sondern einen Hinweis auf intelligentes Leben dort liefern könnte.  

Denn der rund 400 Meter lange, zigarrenförmige Körper bewegte sich nicht auf jener physikalisch berechenbaren Bahn, die ein Meteorit unter dem Einfluss der Anziehungskraft der Sonne hätte einschlagen sollen. Manche Wissenschaftler versuchten dies damit zu erklären, dass das Objekt teilweise aus Eis bestanden habe, das nahe der Sonne geschmolzen sei. Die so entstandenen Gase hätten als Antrieb gewirkt. Das Problem bei dieser Erklärung: Auf den Bildern der Teleskope waren keinerlei Hinweise auf Gase erkennbar.

WAHRSCHEINLICHKEIT »Die Leute fragen, warum ich diese ganze Medienaufmerksamkeit bekomme. Der einzige Grund ist, dass meine Kollegen den gesunden Menschenverstand nicht einsetzen,« sagte Loeb dem »Scientific American«. Schließlich hätten basierend auf den Daten der Kepler-Mission der NASA »etwa die Hälfte der sonnenähnlichen Sterne der Galaxie einen Planeten von der Größe der Erde, in etwa der gleichen Entfernung der Erde von der Sonne, so dass sie sehr wohl auch Wasser auf ihrer Oberfläche haben könnten. »Wenn man also milliardenfach in der Milchstraße nach Leben sucht, wie groß ist dann die Chance, dass wir hier alleine sind? Wahrscheinlich verschwindend gering«, meint Loeb.

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Man könne schon jetzt »schlüssige Beweise für Leben, Intelligenz und Technologie bekommen«, ist sich der Forscher sicher, zum Beispiel durch die Suche »industrieller Verschmutzung« im Weltall und nach Fluorchlorkohlenwasserstoffen. Wenn man die auf einem anderen Planeten finden würde, hätte man, so Loeb, einen »eindeutigen Beweis, dass dort Leben – und mehr – existiert«. Noch gebe es viel zu wenig Aufmerksamkeit für diese Thematik, auch von Seiten der Wissenschaft selbst, glaubt er.

HINWEISE »Wir können bestimmte Ideen nicht deswegen vermeiden, weil wir uns Sorgen über die Auswirkungen machen.« Das sei so ähnlich, wie hätte man einst Galileo Galilei gesagt, er möge doch bitte nicht behaupten, dass sich die Erde um die Sonne bewege, weil das für die Philosophie gefährliche Konsequenzen habe.

Es brauche den offenen Dialog unter Wissenschaftlern, bei dem alle ihre Ideen präsentieren könnten. »Im Zusammenhang mit Oumuamua sage ich, dass die verfügbaren Beweise darauf hindeuten, dass dieses spezielle Objekt künstlich ist.« Um das zu überprüfen, müsse mehr solche Hinweise suchen und sie dann untersuchen. »So einfach ist das«, glaubt der Astrophysiker.

SATELLITEN Er persönlich könne dem cineastischen Science Fiction-Genre und auch Filmen, die es mit den physikalischen Gesetzen nicht so genau nähmen, nichts abgewinnen, sagte Loeb dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. Aber als Chefberater des Forschungs- und Entwicklungsprojektes »Breakthrough Starshot« hegt er dennoch die Hoffnung, dass es bald möglich sein wird, Forschungssatelliten in benachbarte Sonnensysteme zu entsenden.

Als kleiner Junge habe er 1969 gebannt vor dem einzigen Fernseher in seinem Dorf in Israel gesessen, um die Mondlandung der Amerikaner zu verfolgen, erinnerte sich Loeb 2019 im Gespräch mit der »Times of Israel«. Seitdem habe es kein einziges visionäres Projekt dieser Reichweite im Weltall gegeben. Nun sei es wieder an der Zeit, sich den anderen Galaxien zu widmen. Ob es dort intelligentes Leben gebe, sei eine der »großen Fragen«, die es zu beantworten gelte.

Avi Loeb – Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten, Deutsche Verlags-Anstalt (8. Februar 2021), ISBN: 978-3421048660

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