In ihrem Büro sieht es schwer nach Arbeit aus. Auf dem Schreibtisch und auf dem Boden liegen lose Blätter. Draußen hat sich an diesem schwülheißen Sommertag ein Gewitter zusammengebraut, Wind weht durch das offene Fenster. Schnell bringt Rakefet Zalashik ihre Papierstapel in Sicherheit. Die 36-jährige Historikerin mit dem frechen Haarschnitt und Gesichtspiercing ist in Polen geboren, mit viereinhalb Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Israel und wuchs in Tel Aviv auf. Nach Lehraufträgen an der Universität Tel Aviv und der New York University war Zalashik nun ein Jahr lang Gastprofessorin an der Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) in Heidelberg.
Dort baute sie den »Ben-Gurion-Lehrstuhl für Nah- und Mitteloststudien« auf und betreute in dieser Zeit »viele äußerst interessierte Studenten«, wie sie sagt. Es gab ein gegenwartsbezogenes Lehrangebot zu Gesellschaft, Kultur und Politik in Israel und dem Nahen Osten – und dafür war es nach Schilderung der jungen Professorin einfach »höchste Zeit«.
In Heidelberg wohnte Zalashik in einer Wohnung, die ihr die Hochschule, die im vergangenen Jahr ihren gläsernen Neubau einweihte, auf ihrem Gelände zur Verfügung stellte. Obwohl Rakefet Zalashik aus Studium und Beruf Deutschland beziehungsweise die Städte Berlin, München und Leipzig kennt, war Heidelberg im Neckartal, umgeben von bewaldeten Bergen, für sie doch »ein besonders schöner Ort«. Ab Ende August ist sie zwar erst einmal in Philadelphia tätig, will von dort aus den neuen Lehrstuhl, den sie »ihr Kind« nennt, aber im Auge behalten.
studien Im als weltoffen bekannten Heidelberg arbeitete Rakefet Zalashik nicht im Elfenbeinturm, sondern ging mit mehreren Veranstaltungen, die bestens besucht waren, an die Öffentlichkeit. Sie freute sich über das sehr interessierte Publikum. »Es war wunderbar«, sagt sie über ihre Heidelberger Zeit. Sie fühlte sich vom ersten Tag an integriert und genoss die besondere Atmosphäre der Stadt, die Dichter und Denker besonders zur Zeit der Romantik geradezu magisch anzog.
Weniger romantisch ist ihr Forschungsgebiet, der Nahe Osten. Werden Israelis und Palästinenser irgendwann Frieden schließen? »Ich wage keine Prognose. Ich bin keine Politikerin, sondern Historikerin«, sagt Zalashik. Und äußert dann doch die Befürchtung, dass Israel irgendwann von der Landkarte verschwinden könnte, falls in den nächsten zwei Jahrzehnten für den schwelenden Konflikt keine Lösung gefunden werde. Doch sie setzt Hoffnungen auf die Globalisierung und auf guten Dialog. Auch im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Da könnte der neue Lehrstuhl Akzente setzen. Geht es doch darum, Israel in seiner ganzen Bandbreite zu erforschen und nicht nur als ein Land, in dem ständig Kriegsgefahr herrscht und das Leben gefährlich ist.
»Wenn ich hier mit dem Taxi unterwegs war, wurde ich immer nur auf die Konflikte angesprochen«, bedauert die Professorin. Große Hoffnungen setzt sie auf die junge Generation in beiden Ländern, die aneinander Interesse hat. Dies ganz ohne Vorbehalte. Dass während der Fußball-WM laut einer Umfrage ein Drittel der Israelis Deutschland die Daumen drückte, ist für Zalashik ebenfalls ein gutes Zeichen.
spargel Dass sie einmal Historikerin werden würde, war nicht unbedingt absehbar. In ihrem Abitur schnitt sie im Fach Musik nämlich um einiges besser ab als in Geschichte. Bis heute spielt sie Querflöte, ist bei ihren wissenschaftlichen Wanderungen durch die Historie aber doch glücklicher geworden, glaubt sie, als sie es als Musikerin gewesen wäre.
Vor ihrem Abflug nach Philadelphia nahm sie noch an der Sommerakademie der FU Berlin »Geschichte im Gedächtnis« teil. Sich alle paar Jahre an ein neues Land zu gewöhnen, bereitet ihr keine Probleme. Sie findet ihr Leben mit seinen vielen neuen Herausforderungen einfach nur spannend. Aus ihrer Heidelberger Zeit wird ihr unter anderem der Geschmack von frischem Spargel auf der Zunge bleiben.