TV-Tipp

»Die Akte General«

Fritz Bauer, der 1968 verstorbene Chefankläger des Frankfurter Auschwitz-Prozesses Foto: imago images/Everett Collection

Man erinnert sich wieder an Fritz Bauer: »Im Labyrinth des Schweigens« und »Der Staat gegen Fritz Bauer« hießen die beiden Kinoproduktionen, die sich in den vergangenen Jahren mit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Nachkriegsjustiz befassten. Sie rückten zwangsläufig Leben und Wirken des ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalts und Initiators der Auschwitz-Prozesse in den Fokus.

Auch Stephan Wagners TV-Film »Die Akte General« porträtiert diesen unermüdlichen Kämpfer für die Gerechtigkeit. Zugleich blickt sie auf das politische Umfeld seiner Zeit, das sich selbst gefangen hielt in einem lähmenden Netz aus Vertuschung und Antikommunismus, aus Starrsinn und falscher Loyalität.

Dabei stellen Wagner und Drehbuchautor Alexander Buresch einen Unantastbaren der Adenauer-Regierung stärker in den Fokus ihrer Erzählung: Hans Globke, Staatssekretär und Chef des Kanzleramtes. Er hatte als Jurist die Entrechtung der europäischen Juden mit vorbereitet. Das Verfahren gegen ihn wurde von Frankfurt nach Bonn verlegt und verlief im Mai 1961 im Sande.

Seine ist die eine Geschichte des Films, die davon erzählt, wie alte, weiße Männer den Verdacht auf grausam schillernde Barbareien gleichsam bürokratisch erstickten. Die andere Geschichte ist in Momenten inszeniert wie ein Thriller oder Western: die weite Steppe Argentiniens, ein einsamer Mann mit Feldstecher und ein anderer, der Adolf Eichmann sein soll. Noch in der Recherche und im Aktenaustausch dynamisiert Wagner das Geschehen, hält die Einstellungen kurz, injiziert sogar Tempo und ein wenig Atemlosigkeit in Frankfurter Bürogespräche. Die Behörden waren wenig interessiert an einer Festsetzung Eichmanns - vor allem aus Angst, dieser könnte Personen als Mittäter nennen, die noch in Amt und Unwürden herrschten. Daher wandte sich Bauer an den israelischen Geheimdienst Mossad, der Eichmann schließlich schnappte.

Die dritte Geschichte des Films ist die eines Wettstreits der israelischen, westdeutschen und ostdeutschen Dienste. In der Aufarbeitung von Buresch und Wagner geschieht dies einigermaßen spekulativ; in der Wirklichkeit war es eine Gratwanderung über dem ständig aufklaffenden Abgrund des Landesverrats. Die vierte Story ist die einer Männerfreundschaft zwischen Bauer und dem jungen, aufmüpfigen Staatsanwalt Joachim Hell (David Kross), der von Bauer ins Team geholt und mit dem Fall Globke betraut wird. Bauer war im dänischen Exil wegen homosexueller Kontakte polizeibekannt; Buresch und Wagner bevölkern sein Haus und sein persönliches Umfeld auch in Deutschland mit attraktiven jungen Männern.

Noch deutlicher als in manch anderer Filmbiografie gehen hier also das Private und das Politische ineinander, wobei der vielzitierte »Muff« der Fünfziger und Sechziger im Darstellerischen in eine durchaus faszinierende kumpelhafte Volkstümlichkeit mündet: Ulrich Noethen, der die Hauptfigur mit einer beschwerten Würde spielt, driftet ab und an ins Schwäbelnde des gebürtigen Stuttgarters Bauer ab. Dieter Schaad spielt Konrad Adenauer als bauernschlaue, durchsetzungskräftige rheinische Polternatur. Den designierten, bei Adenauer gleichwohl wenig beliebten Nachfolger Ludwig Erhard gibt Gustav Peter Wöhler als dauerkeifenden Kugelblitz.

Die typische Erinnerung an die Steife dieser Ära wird so von den Schauspielern unterlaufen. Gleichzeitig erscheinen die großen Macher der Nachkriegszeit wenn schon nicht als Karikaturen, so doch als Menschen, denen eine gewisse Lächerlichkeit eigen ist. So bleibt als Lehre nicht nur aus dem Vermächtnis von Fritz Bauer, sondern auch aus dessen teilfiktionaler Bearbeitung, wie harmlos Menschen erscheinen können, die zu ganz und gar harmvollen Taten fähig sind.

Ab jetzt auch in der Arte-Mediathek.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

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NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

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Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

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NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025