Für die Sekretärin ist die Tote vor der Sprachschule eine durchaus willkommene Abwechslung in ihrem eintönigen, orthodox geprägten Alltag. Auch Assaf Rosenthal, Kommissar, Ex-Armeeoffizier und ein supernetter Typ, freut sich über seine erste Mordermittlung zum Tod einer ukrainischen Prostituierten.
one-night-stands Ein kalter Dezember in Tel Aviv. Die Behörden warnen vor dem ungewöhnlichen Wetter. Assaf und Yossi, Rosenthals untergebener Mitarbeiter, ermitteln sich durch die verschiedenen Ethnien und Milieus, von denen die Stadt und das ganze Land geprägt sind. Obwohl die Gegebenheiten und die Ermittler ganz andere sind, fallen einem Derrick und Harry ein, und das nicht nur, weil es in Tel Aviv regnet.
Assafs Polizeikollegin, die schöne Anat, musste den Fall auf Geheiß ihres Vorgesetzten, der Assaf von der gemeinsamen Zeit bei den Grenztruppen in Gaza kennt, abtreten. Natürlich ist sie stinksauer. Trotzdem geht sie später mit Assaf aus und eine Affäre mit ihm ein. Der Polizist wird im Klappentext als »Frauenheld« bezeichnet. So lauwarm wie dieser Begriff wirken allerdings seine One-Night-Stands. Überhaupt kommen die Figuren und ihre Beziehungen farblos und fade daher. Zwar säuft und kifft Assaf mit seinen zahllosen Bekannten, doch tut er das stets auf anständige Weise, wie es sich für einen Polizisten schickt.
Ein Verdächtiger wird festgenommen. Der Afrikaner war der Letzte, der die junge Frau lebend gesehen hat, und dieser Umstand reicht aus, ihn tagelang festzuhalten. Das mag schon sein. Die Welt ist ungerecht. Glaubhaft erzählt wird es nicht.
drogen Zwei Tage nach dem Mord fällt den Ermittlern endlich ein, die Wohnung der Toten zu durchsuchen. Sie entdecken in ihrem Computer Hinweise auf die Freier, vorwiegend gut betuchte Geschäftsleute. Es stellt sich auch heraus, dass der Besitzer des Nobelbordells, in dem die junge Frau gearbeitet hatte, seit einiger Zeit auch mit Kokain, Amphetaminen und synthetischem Dreckszeug dealt. Nicht auszuschließen, dass der Mord eine Warnung etablierter Drogenbosse an den Neuling war. Assaf, der Frauenheld, verguckt sich derweil in die bezaubernde Empfangsdame Joy. Plötzlich verschwindet die Asiatin spurlos …
Während sie in dem Fall ermitteln, diskutieren die Detektive jüdisch-religiöses Leben, das Problem der illegalen Einwanderer, Rassismus, Herkunftsfragen und vieles andere mehr, das eine Gesellschaft ausmacht, die mit Angriffen von außen und innen, mit einer extrem heterogenen Bevölkerung und einer hoch belasteten Geschichte umgehen muss. Die Kriminalhandlung begleitet beinahe nebensächlich all das, was über das Leben in Israel einmal erzählt werden müsste. Das ist auch zweifellos interessant und macht den absolut lesenswerten Teil des Buchs aus.
altbacken Umso bedauerlicher, dass die junge Autorin einen behäbigen, altbackenen Stil verwendet, mit entnervenden Wiederholungen und Phrasen. Sätze wie: »Wir haben einen Mord zu klären« oder »Assaf musste einen Mörder finden und für Gerechtigkeit sorgen« machen den Text zäh und den Leser ärgerlich. Ein besonders hübsches Zitat: »Hier in Tel Aviv konnte man noch die Illusion haben, in einem ganz normalen Land zu leben. Wo es zwar auch Mord, Totschlag und Überfälle gab – aber das war auch schon das Schlimmste, was die Menschen im alltäglichen Leben bedrohte.« Stimmt. Sehr viel Schlimmeres als der Tod kann einem im Leben wohl nicht widerfahren. Immerhin ist dies die einzige komische Stelle in dem Buch.
Mühsam schleppt sich der Roman so durch die eigentlich spannende Stadt Tel Aviv. Zum Schluss löst sich der Fall so brav wie banal auf. Zurück bleibt das Gefühl, dass auf 287 Seiten jede Menge kriminalliterarisches Potenzial verschwendet wurde. Schade!
Katharina Höftmann: »Die letzte Sünde«. Aufbau, Berlin 2012, 287 S., 9,99 €