Nachruf

Der skeptische Romantiker

Weltbürger, Staunender, Liebender: Zum Tod des Schweizer Theatermachers Luc Bondy

von Georg Kasch  01.12.2015 12:42 Uhr

Luc Bondy (1948–2015) Foto: dpa

Weltbürger, Staunender, Liebender: Zum Tod des Schweizer Theatermachers Luc Bondy

von Georg Kasch  01.12.2015 12:42 Uhr

Er war ein Weltbürger, ein Staunender, ein Liebender. Und »einer der größten Regisseure Europas«, wie es Frankreichs Kulturministerin Fleur Pellerin ausdrückte. Seine Zärtlichkeit dem Theater wie den Menschen gegenüber blitzte durch die Kulissen jeder seiner Inszenierungen: Ob Shakespeare, Ibsen oder Horváth, immer brachte er das Wort, viel mehr noch: die Charaktere zum Flirren.

Dabei unterschied ihn von den anderen großen Regisseuren seiner Generation sowohl sein spielerischer Geist als auch sein Außenblick. 1948 wurde er in Zürich in eine jüdische Künstlerfamilie hineingeboren – sein Großvater war der Prager Feuilletonist und Autor N. O. Scarpi, sein Vater der Journalist, Kritiker und Zeitschriftenherausgeber François Bondy, in dessen Pariser Salon Intellektuelle wie Gombrowicz, Magris und Ionesco verkehrten.

kritisch Bondy wuchs zweisprachig auf. Dieser intime Blick in die Kultur jenseits der deutschen hat den Werken, die er später inszenieren sollte, ungeheuer gutgetan. Botho Strauß etwa, diesem skeptischen, zivilisationskritischen Romantiker, dessen Werke er schweben lassen konnte. Oder auch Pierre Carlet de Marivaux, den er als Erster für die deutschsprachige Bühne wiederentdeckte.

Sein Elternhaus mochte auch eine Rolle bei der Wahl seiner Inszenierungen gespielt haben. Sein Debüt als Regisseur gab er, knapp 20-jährig, mit der eigenen Dramatisierung einer Gombrowicz-Novelle. Später ließ er Else Lasker-Schülers Die Wupper an der Berliner Schaubühne leuchten – Bondys Vater hatte die Dichterin im Schweizer Exil kennengelernt.

Zunächst aber absolvierte Bondy in Paris eine Ausbildung bei dem Pantomimen Jacques Lecoq, durch dessen Schule auch Christoph Marthaler und Ariane Mnouchkine gingen. Schnell gehörte er zu Europas bedeutendsten Regisseuren. Nach seinem Durchbruch, Edward Bonds Die See am Münchner Residenztheater 1973, wurde er von 1974 bis 1976 Hausregisseur am Schauspiel Frankfurt. Selten band er sich an ein Haus: Nach Peter Steins Rücktritt 1985 übernahm er für drei Jahre die Berliner Schaubühne als Teil eines Dreiergespanns. 1998 wurde Bondy Schauspieldirektor der Wiener Festwochen, die er dann von 2001 bis 2010 als Intendant leitete. Seit 2012 war er Intendant des Pariser Odéon-Theaters.

zärtlich Als Liebender war Bondy auch immer ein Ermöglicher. Unzählige erste Schauspieler arbeiteten mit ihm, Jutta Lampe, Gert Voss, Ulrich Mühe, Otto Sander, Udo Samel, Johanna Wokalek, um nur einige zu nennen. Seine Zärtlichkeit dem Theater gegenüber galt ja nicht zuletzt ihnen, denen er Rollenräume schuf, in denen sie sich entwickeln konnten.

Seit den 90er-Jahren inszenierte er vermehrt Opern, in Wien, Salzburg, an der New Yorker Met – seine Tosca von 2009 beeindruckte mit genau psychologisierender Figurenführung, keine Selbstverständlichkeit an diesem Haus. Auch eine seiner letzten Arbeiten war ein Musiktheaterwerk: Behutsam, diskret und zurückhaltend inszenierte er die Uraufführung von Marc-André Dalbavies Charlotte Salomon über die in Auschwitz ermordete Schöpferin des Gouachen-Buchs Leben? oder Theater? voller Spiegelungen. Salomon wurde im Zweiten Weltkrieg im Lager Gurs interniert, in dem auch Bondys Vater inhaftiert war.

Mit Mitte 20 erkrankte Bondy zum ersten Mal an Krebs. »Der Tod hat sich immer für mich interessiert. Ich war oft krank«, sagte er Anfang des Jahres in einem Interview mit der Zeitung »Die Welt«. Am Samstag ist Luc Bondy im Alter von 67 Jahren in Zürich gestorben.

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  14.03.2025 Aktualisiert

Ausstellung

Chagalls fantastische Welten in Düsseldorf

Seine bunt-surreale Bildwelt fasziniert Menschen seit Jahrzehnten. Auch die dunkle Seite des jüdischen Malers rückt in den Fokus

 14.03.2025

K20 Kunstsammlung

Ungewöhnliche Werke von Marc Chagall in Düsseldorf zu sehen

Die Ausstellung mit 120 Werken beleuchtet Chagalls Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Armut und Geschlechterrollen

von Nikolas Ender  13.03.2025

Liraz

Das Trillern der Utopie

Die israelische Sängerin ist stolz auf ihre persischen Wurzeln. In Europa kämpft sie mit Konzertabsagen

von Tilman Salomon  13.03.2025

Kino

Der Wandel des »Ka-Tzetnik«

Eine Doku widmet sich dem Schoa-Überlebenden Yehiel De-Nur und seiner Auseinandersetzung mit dem »Planeten Auschwitz«

von Dietmar Kanthak  13.03.2025

Kino

Bonhoeffers Vermächtnis »verfälscht und missbraucht«

In seinem umstrittenen Film stilisiert der amerikanische Regisseur Todd Komarnicki den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer zu einer Erlöserfigur im Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror

von Raimund Gerz  13.03.2025

Rechtsextremismus

Braune Musik verbreitet Hass: Rechtsrock in Deutschland

Rechtsextreme Musik trifft bei etlichen auf offene Ohren. Beobachter warnen: Die Rechtsrock-Szene blüht. Und sie kann ein »Türöffner« sein für rechtsextremistische Ideologien

von Alexander Lang  13.03.2025

Aufgegabelt

Hamantaschen mit Mohn

Rezepte und Leckeres

 13.03.2025

Pädagogik

Sicherheit vermitteln

Welche Herausforderungen der 7. Oktober mit sich bringt: Religionslehrer suchen Antworten auf schwierige Fragen beim jährlichen Treffen an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg

von Ayala Goldmann  14.03.2025 Aktualisiert