Etwas Kaltes, Glitschiges legt sich auf mein Gesicht. Gleichzeitig wird mein rechtes Nasenloch von einem feuchten Klumpen verstopft, und irgendetwas Klammes versucht, sich Einlass in mein linkes Ohr zu verschaffen. Kreischend fahre ich aus dem Schlaf hoch. Um mich herum sitzen fünf kleine Mädchen in rosa Barbie-Pyjamas. Eine davon ist meine Tochter Emma. Nebelschwaden lichten sich. Jetzt fällt mir wieder alles ein: Emmas Pyjamaparty. Ihre fünf Freundinnen übernachten heute hier.
Aber wieso sitzen alle auf meinem Brustkorb und kichern? Und warum ist mein Gesicht voller Gurkenscheiben und meine Nasenlöcher voll nasser Watte? »Wir machen dir ein Facial, Mama!«, verkündet Emma strahlend. »Es ist ein Uhr nachts«, zische ich. »Verschwindet aus meinem Bett!«. Ich scheuche die kleine rosafarbene Schar zurück ins Wohnzimmer, wo sie ihr rosafarbenes Matratzenlager aufgeschlagen hat.
Justin Bieber Todmüde krieche ich in mein Bett zurück und falle sofort in einen tiefen Schlaf. In meinen zahlreichen Albträumen werde ich von böse kichernden kleinen Hexen verfolgt. »Jetzt frag sie doch, wie der DVD Player angeht, na los!« Schweißgebadet fahre ich aus dem Schlaf. Irgendwer wedelt im Dunkeln mit einer DVD-Hülle vor meinem Gesicht herum. »Mama, wir wollen Justin Bieber live in concert sehen. Mama, machst du uns den DVD-Player an Mama?« Auf allen vieren schleppe ich mich ins Wohnzimmer und schiebe die DVD ein. Ich bin zu erschlagen, um gegen drei Uhr früh noch erzieherisch auf die Gören einzuwirken. Sollen sie doch die ganze Nacht wach bleiben und Party machen. Nach mir die Sintflut. Hoffentlich ist jetzt endlich Ruhe.
Und tatsächlich bleiben Justin und die Girls schön im Wohnzimmer und quälen mich nicht weiter. Nicht so meine Großhirnrinde, die immer gruseligere Albträume fabriziert. Hilfe, mein Haus brennt, Rauchschwaden wabern um mein Bett, ich reiße die Augen auf. Irgendwas riecht hier verbrannt! Aus der Küche dringt Rauch und fünffaches Röcheln und Husten. »Mama«, krächzt Emma, »wir wollten dir zum Frühstück Muffins backen!« Mit einem feuchten Taschentuch vorm Gesicht schalte ich den Herd aus und befördere die verkohlten Dinger in den Müll. Es ist halb fünf.
Müdigkeit »So«, flöte ich, »ihr habt also Einschlafprobleme? Soll ich euch sagen, was dagegen ganz ganz toll hilft?« Begeistert folgen mir die kleinen dummen Dinger durch die Wohnung in die Wäschekammer, wo sich ein riesiger Sockenhaufen fast bis zur Decke türmt. »Socken sortieren! Seht ihr? Das ist toll! Damit kann man sich stundenlang beschäftigen! Na los, hopp hopp! Keine Müdigkeit vorschützen!« Betreten schauen die Kleinen vor sich auf den Boden und sind auf einmel irgendwie wahnsinnig müde. Es folgt allgemeines Gähnen, Strecken und Recken und ab in die Falle. Innerhalb von einer Viertelstunde sind alle Mädels ins Justin-Bieber-Dreamland hinübergesegelt.
Die nächste Pyjamaparty steigt erst wieder in zehn Jahren, wenn die Blagen endlich gelernt haben, wie man selbständig den Pizzaservice anruft und sich allein die Nägel lackiert. Und wenn ich wirklich großes Glück habe, ist Justin Bieber dann schon längst im Knast oder in der Entzugsklinik und taucht nie wieder in meinen Albträumen auf.