»Wir haben ‹ne Neue in der Klasse«, nuschelt meine Tochter Emma zwischen zwei Bissen ihres Hamburgers. »Wie heißt sie denn?«, frage ich. »Weiß nicht«, mümmelt Emma. »Und? Ist sie nett?«, erkundige ich mich. »Weiß nicht. Sie spricht nicht.« »Na dann sprich sie doch einfach mal nett an«, sage ich. »Geht nicht«, kaut Emma. »Wieso nicht?«, dränge ich zunehmend genervt. »Zu viel Haare dazwischen.«
Wer auch immer dieses haarige Gör ist. Ich muss es in zwei Wochen zu Emmas Geburtstagsparty einladen. Die anderen zehn Kids haben ihre Einladung schon. Schwierig, wie sich herausstellt, da das neue Kind, das anscheinend Sara heißt, eine Art Einsiedlerleben führt, selten das Haus verlässt und telefonisch nicht erreichbar ist. Sämtliche Anrufe werden von der russischen Haushälterin abgewürgt.
Cool Saras Eltern halten Geburtstagspartys – Süßigkeiten, laute Musik, Barbiepuppen, Chas we Schalom – für einen verderblichen Einfluss, erzählen mir andere Eltern. Aber Emma hat auf einmal gemerkt, dass sie Sara unheimlich cool findet. Denn Sara spricht nicht, sie antwortet Lehrern grundsätzlich nie, sie kann jeden niederstarren. Eine Revoluzzerin. Toll! Meine Tochter will Sara unbedingt auf ihrer Party dabeihaben.
Also hänge ich mich ans Internet und kratze per Google einige Russischkenntnisse zusammen. »Kak Djela?«, säusele ich am Telefon und gebe mich als die religiöse Reinigung Braverman aus. Der Zerberus gibt den Hörer knurrend an die Mutter weiter. Ich verspreche in stockendem Hebräisch streng koschere und strikt limitierte Süßigkeitenzufuhr bei der Party.
Außerdem, dass sämtliche Kinder und ich znu’a gekleidet sein werden, und: nur chassidische Musik. Womit ich die Eltern endlich umgestimmt habe. Uff, das wäre geschafft. Jetzt stehe ich vor einem weiteren Problem. Denn eine Party mit elf Kindern – ungerade Zahl – das geht nicht. Dann steht am Ende ein Kind alleine herum, fängt an zu plärren und macht meine Party kaputt.
Pink Es muss also noch ein Kind her. Wie wäre es denn mit Chloé, Emmas Freundin aus Brüssel? Die Mutter, Vivi, ist eine gute Bekannte von mir. Damit scheinen alle meine Probleme gelöst, und ich kann mich endlich der rosaroten Geburtstagsdeko widmen. Ich liebe Kindergeburtstage! Und versinke für die nächsten Tage erst mal in einer glitzernden pinken Wolke der Zufriedenheit, die sich auch während der Party nicht verzieht. Alles läuft wie am Schnürchen. Bis meine Freundin Vivi mir den neuesten Brüsseler Trend demonstriert – Oberschenkel-Tattoos mit den Namen der Ehemänner und Kinder – und die Hosen runterlässt.
In dem Moment klingelt es an der Tür. Irgendein Idiot öffnet. Saras Vater in seiner ganzen schwarzgekleideten Schrecklichkeit, mit Kaftan, Gartl und Schtreijml steht vor der Tür. Lassen wir den gnädigen Vorhang des Vergessens über diese Szene herabsinken und nur so viel sagen: Bei der nächsten Geburtstagsparty sind wir wieder zu zehnt.