In Deutschland gibt es kaum Juden. Gerade mal null Komma irgendetwas Prozent der Bevölkerung. Sagt die Statistik. Mein Spamordner sagt etwas anderes. Dort liegt der jüdische Bevölkerungsanteil so etwa bei 95 Prozent. Und fast alle fangen sie mit A an. Abramowitz, Aaronstein, Adler und Ahava. Außerdem ist da noch Aaronin, oder sind das gleich mehrere? Jedenfalls bieten sie alle in der Betreffzeile »Viagra ohne Rezept« an.
Wahrscheinlich stehe ich erst am Beginn meiner Spamkarriere. Deshalb die vielen A-Absender. Immerhin bekomme ich seit Kurzem auch Mails von Bacherach und Fiedler: »Lustlos?«, »Langweilige Liebe?«, »Nichts los im Bett?«. Neidvoll höre ich von Leuten, die schon Spam mit dem Absender »Yoram Kaniuk« bekommen haben. Warum heißt der Mann nicht Aniuk? Bei mir hat sich noch kein israelischer Schriftsteller gemeldet.
Eigentlich müsste ich mir diese Mails gar nicht anschauen. Dafür gibt es schließlich den Spamordner. Aber seit ich immer mehr russische Freundinnen habe, bin ich gezwungen, regelmäßig im elektronischen Müll zu wühlen, weil Natascha, Olga und Swetlana permanent unter Spamverdacht geraten und ich sie dort herausholen muss, wo sie nicht hingehören. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mehrmals täglich den Spam-Report durchzugehen wie bei Aldi den Kassenzettel. Spam für Spam.
Dosenfleisch Denn wenn beispielsweise der Absender »Olga« mit dem Betreff »Wie wär’s?« zusammentrifft, leuchten bei meinem Mailserver alle Rotlichter auf, und er befördert die Mitteilung in die virtuelle Gosse. Dabei wollte Olga sich nur mit mir in der Bibliothek treffen und mir erzählen, wie das war, als Pasternaks Doktor Schiwago 1988 erstmals in der Sowjetunion erscheinen durfte. Olga ist nämlich Literaturwissenschaftlerin. Hätte sie als Betreff »Doktor Schiwago« gewählt, wäre ihre Mail nicht im Spamordner gelandet. Oder doch?
Das Wort Spam habe ich kürzlich bei Wikipedia nachgeschaut. Es stand ursprünglich für Dosenfleisch, für »SPiced hAM«. Im Zweiten Weltkrieg war in Großbritannien alles rationiert, es gab nichts, außer an jeder Ecke Spam. Omnipräsentes Schweinefleisch also, extra würzig und natürlich treif. Daraus machte Monty Python später einen Sketch, in dem das Wort »Spam« 132-mal vorkommt.
Apropos. Ich habe schon wieder neuen Spam in meinem Ordner. Diesmal von Epstein. »Unesund und dick? Unesund und dick? Unesund und dick?« Keine Ahnung, was mit dem »g« passiert ist.