Wie viele andere Antwerpener haben mein Mann und ich ein exklusives Hobby: Hochzeitstourismus! Im Billigflieger von Metropole zu Metropole jetten, in den schönsten Hotels feiern und edel verköstigt werden: einfach klasse! Ich erinnere mich, bei meiner eigenen Hochzeit in Stuttgart kam damals auch ein Party-Bus aus Antwerpen, und 80 grölende und weinselige Antwerpener feierten bis in die frühen Morgenstunden. An der Partylaune der Antwerpener Juden hat sich in den letzten 20 Jahren nichts geändert.
Besonders vor Pessach herrscht allseits Hochzeitspanik, denn danach kann bis Lag BaOmer am 16. Mai erst einmal nicht mehr gefeiert werden. Deshalb erreicht uns wie jedes Jahr im März ein ganzer Strauß attraktiver Einladungen. London, Paris, Budapest? Wir entscheiden uns dieses Jahr für Mailand wie immer mit dem allerbilligsten Billigflug. Hinflug am Tag der Hochzeit und gleich am Morgen darauf zurück!
Einige Wochen später, am Tag der Hochzeit, treffen wir dann halb Antwerpen an der Hotelrezeption beim Check-in. Auf der marshmallow-artigen rosa Sitzlandschaft thront die Braut, noch in Jogginganzug und Lockenwicklern, umgeben von ihren schnatternden Cousinen und Brautjungfern. Fast die ganze Kehille ist angereist. Wir haben allesamt Zimmer nebeneinander im ersten Stock bekommen. Seltsam.
Ich schwöre mir, nie wieder auf irgendwelche Hochzeiten zu fahren. Zum Glück ist ja erst einmal Hochzeits-Stopp – zumindest bis zum 16. Mai.
Ja, das sei ein klasse Deal vom Hotel, teilt die Braut uns strahlend mit. Unsere Zimmer lägen in der Billig-Kategorie, direkt über dem Festsaal, und deshalb könne die Party in unverminderter Lautstärke bis um fünf Uhr früh dauern! Ich sinke entkräftet auf ein rosa Marshmallow-Sofa. Party bis fünf Uhr früh? Wir müssen doch um sechs Uhr morgens wieder am Flughafen sein! Kein Problem, meint unser Freund Ari. Zusammen mit einigen anderen Kumpels könne er uns in seinem Mietwagen mitnehmen, denn wir säßen fast alle im selben Flieger.
Damit ist der Abend gerettet. Es wird eine epische, ausgelassene Party, die Musik ist klasse, die Stimmung schlägt hohe Wogen, um vier Uhr früh tanzen die meisten Antwerpener auf den Tischen, und ich finde mich, ich weiß nicht wie, auf der Partybühne wieder: Ich habe eine Rose zwischen die Zähne geklemmt und spiele mit verbundenen Augen auf der Ukulele. Der Rest verschwindet hinter einem angenehmen champagnerfarbenen Vorhang des Vergessens. Ich weiß nicht mehr, wie ich es in mein Bett geschafft habe.
Am nächsten Morgen taumeln wir wie die Zombies in die Hotellobby. Dort sitzen auch schon die anderen Antwerpenerinnen. Mit zerstörten Party-Frisuren und verschmiertem Make-up sehen sie fast genauso schlimm aus wie ich. Wir alle quetschen uns irgendwie in Aris Mietwagen und zuckeln dann, übereinandergestapelt und eingeklemmt wie die alkoholisierten Party-Sardinen, ab zum Flughafen. Auf meiner linken Schulter liegt jemand und schnarcht, rechts rammt mir ein anderer den Ellenbogen in die Rippen. Im Auto riecht es wie in einer Wodka-Destillerie. Ich schwöre mir, nie wieder auf irgendwelche Hochzeiten zu fahren. Zum Glück ist ja erst einmal Hochzeits-Stopp – zumindest bis zum 16. Mai.