Diese Woche durften meine Kinder im Pyjama in die Schule sowie in den Kindergarten gehen. Keine gewöhnliche Pyjamaparty, sondern wegen Purim, weil die Welt dann kopfsteht und man irgendwie alles umgekehrt macht. Raus aus der Normalität, rein in eine andere Rolle – entweder verkleidet oder eben im Pyjama.
Doch die Verkleidung im Pyjama bedeutet irgendwie mehr als der herkömmliche Rollentausch, um für ein paar Stunden eine Prinzessin oder ein Dinosaurier zu sein. Der Pyjama ist doch schon ein sehr privates Kleidungsstück, das auch etwas mehr Überwindung verlangt, sich damit auf die Straße zu begeben. Wobei es die Kinder natürlich lustig finden.
Man stelle sich also vor, ein Herr Trump würde sich für ein paar Stunden den Schlafanzug von letzter Nacht überziehen.
Genau das sollten auch wir! Und mit »uns« meine ich auch die Herren und Damen dieser Welt, die in letzter Zeit dafür verantwortlich sind, dass die Welt erodiert. Man stelle sich also vor, ein Herr Trump würde sich für ein paar Stunden den Schlafanzug von letzter Nacht überziehen – es wäre vielleicht auch ganz interessant zu wissen, ob der dann gestreift, gepunktet, aus Satin oder Seide ist – und sich so an seinen Schreibtisch im Oval Office setzen. Was würde die Welt denken von einem in einen Pyjama (ge)kleideten Staatsoberhaupt, das Verlässlichkeit nur als Empfehlung, Beleidigungen als opportune Kommunikationsform versteht?
Dass die Welt definitiv aus den Fugen geraten ist, hier gar nichts mehr nach allgemeingültigen Konventionen funktioniert und der bisher als normal gedachte Wertekanon völlig ausgeschaltet wurde? Gewiss braucht es keinen Schlafanzug, um dies zu verstehen.
Kollege Putin im Schlafanzug zu sehen, würde vermutlich ebenfalls niemand wollen. Am wenigsten er selbst. Denn Kleider machen bekanntlich Leute. Aber denken wir das Gedankenspiel zu Ende. Würde der Schlafanzug und die damit – wenn auch nur suggerierte – Privatheit nicht nur bei Herrn Trump, sondern auch bei gewissen anderen Herren und Frauen Kollegen auf der internationalen Politbühne dazu führen, Verletzlichkeit, Nahbarkeit, ja sogar etwas Menschlichkeit preiszugeben, um die politischen Geschäfte mit mehr Vernunft und weniger Egoismus zu führen, dann würde die Welt gar nicht mehr so kopfstehen.
Dem Pyjama sei Dank! In diesem Sinne Purim Sameach!