Immer wieder sagte ich mir, ich werde über das Folgende nicht schreiben. Nun mache ich es doch: Seit dem 7. Oktober 2023 tut meine Tochter etwas, das mich besorgt: Sie prüft immer wieder, ob die Haustür abgeschlossen ist. Unmittelbar nach den Attacken des 7. Oktober hatte sie diesen Drang zu wissen, ob jemand zur Tür hereinkommen könnte, ganz stark. Selbstverständlich war es unmöglich, ihr zu verheimlichen, was am 7. Oktober tatsächlich geschehen war. Ich versuchte, ihr in kindgerechter Dosis zu erklären, was passiert war.
Mit ihren damals sechs Jahren verstand sie blitzschnell, dass etwas im Raum war, das nicht gut war, dass eine Gefahr lauerte, die nun auch uns betraf. Selbst wenn sie nicht wusste, was das Ausmaß von Krieg bedeutet. Aber spätestens, als vor einem Jahr einige Kinder aus Israel für einen mehrwöchigen Aufenthalt in die Schule zu uns kamen, um für eine gewisse Zeit den Wirren des Krieges zu entkommen, war für meine Tochter klar, dass etwas Schreckliches geschehen war oder im Begriff war zu passieren.
Mehrmals täglich ging sie zur Tür und schaute nach, ob sie wirklich geschlossen war. Dann ließ es wieder nach. In letzter Zeit habe ich aber beobachtet, dass dieses Verhalten wieder öfter auftritt. Egal, ob sie gerade spielt, Hausaufgaben macht oder vor dem Einschlafen im Bett liegt – immer wieder höre ich sie zwischendurch fragen: »Mama, ist die Tür geschlossen?«
Ich mache daraus keine große Sache. Ich antworte lediglich: »Selbstverständlich.« Wohl wissend, dass die Tür tatsächlich verriegelt ist.
Ich mache daraus keine große Sache. Ich antworte lediglich: »Selbstverständlich.« Wohl wissend, dass die Tür tatsächlich verriegelt ist. Denn ich selbst würde die Tür auch nie unabgeschlossen lassen. Aber ich prüfe es nicht mehrmals nach. Dass meine Tochter dies auch ein Jahr später noch tut, stört mich überhaupt nicht. Sie soll sich sicher fühlen. Und wenn ihr dieses kurze Nachschauen hilft, dann ist es richtig so.
Was mir jedoch viel mehr zu denken gibt, ist die Tatsache, dass unsere Kinder – und damit meine ich die unserer Gesellschaft – auf einmal wieder Zeugen vom Krieg und seinen Folgen werden. Ohne fatalistisch klingen zu wollen, scheint er viel näher zu sein als früher.
Ich selbst bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Krieg sehr weit weg schien. Ich wähnte mich in einer scheinbar sicheren Welt. Wie naiv von mir. Wie schnell ein Weltgefüge auseinanderzubrechen droht, Demokratien erodieren. Der Krieg ist näher gekommen: in Israel, Gaza, in der Ukraine oder in Syrien. Und Kinder stellen Fragen. Das sollen sie auch. Wir Erwachsene sind dafür verantwortlich, ihnen die richtigen Antworten zu liefern, einen kindgerechten Umgang zu finden, um mit ihnen zu reden – und für Frieden im Kleinen zu sorgen.
Jedes Mal, wenn sich meine mittlerweile siebenjährige Tochter mit ihrer kleinen Schwester streitet und die beiden finden, es sei an der Zeit, sich zu versöhnen, geben sie sich den kleinen Finger und sagen das folgende kleine Sprüchlein: »Scholem scholem le’olam, broges broges afpa’am.« – »Friede, Friede für die Welt, kein Kampf niemals.« Wenn es nur so einfach wäre. Dennoch: Danach ist Frieden unter den Schwestern. Es wird normal weitergespielt – natürlich bei abgeschlossener Wohnungstür.