Ich schreibe diese Zeilen von meinem Hometrainer aus, habe noch sechs Stunden vor mir, um die angefutterten Sukkot-Kilos wieder abzustrampeln. Das Fest war eine einzige Orgie aus Knisches, Kreplach und gefülltem Kraut! Ständig waren wir irgendwo eingeladen. Alles begann damit, dass unsere windschiefe Sukka letztes Jahr zusammengebrochen war und wir dieses Jahr ganz ohne Laubhütte dastanden.
So gab es zwei Möglichkeiten: entweder den »Walk of Shame« mit dem Einkaufswägelchen voller Selbstgekochtem zur Gemeinde-Sukka, wo dir alle mitleidsvolle Blicke zuwerfen (Armes Hascherl! Hat keine Sukka! Leider auch keine Freunde, die sie einladen könnten!). Oder sich ans Telefon hängen und Sukka-Fishing betreiben (»Seid ihr über die Feiertage da? Na sowas, wir auch! Leider haben wir dieses Jahr keine eigene Sukka … et cetera.«). Und ich muss sagen: Es war ein Volltreffer! Wir waren zu jeder Mahlzeit eingeladen.
Erster Abend: der Freiluft-Drahtseilakt auf der Balkon-Sukka der Nachbarn – eine Art freischwebende Hängebrücken-Konstruktion. Wir saßen sozusagen direkt über dem Abgrund. Durch die Sukka-Fenster sah man – wie leuchtende Luft-Lampions – die vielen Hütten auf den anderen Etagen, untermalt vom melodischen »Oyboyboy« und »Aydayday« der chassidischen Nachbarn. Wirklich ein Erlebnis. Menü: Lachspastetchen, Rinderpoularde, Marzipan-Eis.
Erstes Mittagessen: die Honeymoon-Sukka in der romantischen Laubhütte unserer frisch verheirateten Freunde. Eine Art Barock-Boudoir, drapiert mit rotem Stoff, bedeckt mit Palmwedeln, von den Wänden lächeln sepiafarben die Uschpisin, die Gründerväter Abraham, Isaak und Jakob, auf Kunstdrucken von Rembrandt, Rubens, Caravaggio. Verliebte Blicke der beiden Lovebirds über einem Menü von Dorade au Citron Confit und sehr, sehr viel Alkohol.
Ich habe gegoogelt, dass ich allein schon durch das Schreiben dieses Artikels 100 Extra-Kalorien verbrannt habe.
Zweites Abendessen: die Nullnummer – Foodie-Freunde lockten uns mit »Chicken Marbella« aus dem Ottolenghi-Kochbuch. 24 Stunden mariniert, mit Datteln, Kapern und Oliven! Wegen des dreitägigen Jom Tov war der Kühlschrank dann allerdings so überladen, dass ein leckes Sahnetütchen auf das Hühnerwunder tropfte und daraus leider »Chicken a la treijf« wurde. Stattdessen gabʼs Würstchen mit Senf.
Zweites Mittagessen: das Zwiebelwunder mit einem unserer Freunde, der Doktorand an der Antwerpener Uni ist. Schwerpunkt: rheinländische Juden im Hochmittelalter. Die Deko ist inspiriert von der Sukka-Tradition der Rheinländer Juden: hängende Zwiebeln! Unser Freund ist ganz begeistert, dummerweise hat es aber in den letzten Tagen geregnet, und die Hängezwiebeln sondern eine eigenartige bräunliche Flüssigkeit ab, die gemächlich auf uns herabtropft. Menü: Poularde und Schokotorte mit Zwiebelgeschmack.
Drittes Abendessen: zu Hause auf dem Sofa. Menü: Alka Seltzer, Maaloxan, Kamillentee.
Ab dem dritten Tag: ab auf den Hometrainer (siehe oben). Ich habe gegoogelt, dass ich allein schon durch das Schreiben dieses Artikels 100 Extra-Kalorien verbrannt habe. Toll, oder? Any other ideas, wie ich meine Traumfigur zurückbekomme? Sie wissen ja, wie Sie mich erreichen können.