Glosse

Wenn die Katze das Sagen in der Laubhütte hat

Die härteste Sukka der Stadt

von Katrin Richter  16.10.2024 12:40 Uhr

Die Sukkahüterin

Die härteste Sukka der Stadt

von Katrin Richter  16.10.2024 12:40 Uhr

Laubhütten gibt es ja viele: schön geschmückte stehende, auf Balkonen irgendwie hängende, experimentelle mit dunkelgrüner Folie aus dem Baumarkt. Die eigenwilligste Sukka allerdings, die ich einmal gesehen habe, stand in einem Vorgarten eines Wohnhauses im Norden von Tel Aviv, in dem mein Bruder und ich während eines Besuches wohnten.

Eigentlich war sie auffallend schlicht: drei riesige Spannbettlaken, ein paar Etrogim aus Plastik und in der Mitte ein kleiner Tisch. Daneben nur ein Stuhl mit dünnen Metallbeinen und einer aufgeplatzten Sitzfläche aus wettergegerbtem Kunstleder. Alle anderen Sukkot in diesem Viertel waren prächtiger, die Tische waren größer, die Stühle waren aus richtigem Kunststoff, manche hatten sogar kleine gehäkelte Tischdecken.

Lesen Sie auch

Warum mir aber gerade diese Sukka in ihrer Schlichtheit im Nachhinein so lebendig im Gedächtnis blieb, zeigte sich eines späten Abends. Wir wollten eigentlich nur kurz in unser temporäres Zuhause, um ein Mitbringsel für unsere Freunde zu holen, als mein Blick auf eine recht große Katze fiel, die es sich auf dem klapprigen Stuhl bequem gemacht hatte.

Sie hatte langes Fell und saß da wie Katzen nun einmal dasitzen, wenn die Laune zwischen genervt und angewidert schwankt: die Pfoten ineinander verschlungen, die Augen tief geschlossen. Was für ein Bild: eine Katze in der Sukka! Sie schien niemand anderen in »ihr« Zelt zu lassen. Alle Versuche, sich der Mieze zu nähern, wurden mit aufgestelltem Fell, hangelnden Pfoten und sogar einmal mit einem tiefen und nörgeligen Miau quittiert.

Was auch immer ich tat – es war alles für die Katz. Kein Zutritt für Menschen. Oder vielleicht doch? Früher oder später geben alle Katzen nach, die Frage war nur, welche Leckerlis sie mochte. Die billigen aus dem »Späti« um die Ecke waren es jedenfalls nicht. Auch nicht das Nassfutter einer bekannten internationalen Marke. Abend für Abend saß die Katze auf dem Stuhl, in der Nacht legte sie sich lang auf den Tisch, aber die Näpfe, die rührte sie nicht an. Sie waren zwar leer, allerdings hatten sich andere Miezen ohne eigene Sukka darüber hergemacht.

Glossar-Eintrag
Arba Minim

Zu den vielen Traditionen und Symbolen des Sukkotfestes gehört der Lulav, der Feststrauß, gebunden aus den sogenannten Arba Minim, vier sehr unterschiedlichen Pflanzenarten

Irgendwann, es muss wohl in diesem Bioladen gewesen sein, der gleich um die Ecke war, stand ich vor dem kleinen Regal mit Katzenfutter und hielt mir beim Preis für eine 500-Gramm-Packung Vollwertfutter oder so etwas Ähnliches kurz die Augen zu (mein Bruder tippte sich an seine Stirn, er meinte aber mich), als ich sah, wie der Mann, der auch in dem Haus wohnte, mit allerlei Hühnchenfleisch an der Kasse stand. Er muss ziemlich viel ausgegeben haben, denn die Zahl zu hören, überstieg meine Hebräisch-Kenntnisse.

Später wurde mir dann klar, warum popeliges Trockenfutter und Nassfutter aus der Schale das Tier so komplett gar nicht interessierten: Die Katze saß im Vorgarten – auf dem Boden –, aß das frische Hühnchenfleisch und hüpfte danach auf den Stuhl. In »ihre« Sukka kam nur sie. Eines aber war mir mal wieder klar: Was ich auch tat – es war alles für die Katz!

Fernsehen

»Das Schweigen«

Die preiswürdige Dokumentation des Bayerischen Rundfunk erinnert an die Opfer der Schoa - und sollte in Schulen und Bildungseinrichtungen ein fester Bestandteil des Lehrplans werden

von Maria Ossowski  16.10.2024

Geschichte

Derrick, der Kommissar von der Waffen-SS

Horst Tappert wurde in der Bundesrepublik als TV-Inspektor Derrick gefeiert - bis ein erhebliches Problem in seinem Lebenslauf bekannt wird

von Thomas Gehringer  16.10.2024

Standpunkt

Das Medienversagen

Täter-Opfer-Umkehr und Ja-aber: Viele Redaktionen in Deutschland verzerren Israels Kampf um seine Existenz - mit fatalen Folgen

von Maria Ossowski  16.10.2024

Film

Vom Dilemma einer ganzen Generation

Zwischen den beiden Polen eines Liebesfilms und eines politischen Dramas webt Regisseur Dani Rosenberg in »Der verschwundene Soldat« ein komplexes, vielschichtiges Porträt der israelischen Gesellschaft

von Sebastian Seidler  16.10.2024

Literatur

»Sagen, was wir fühlen – nicht, was wir sagen sollten«

Der israelische Dramatiker Jehoschua Sobol schreibt in seinem Text für die Jüdische Allgemeine über einen Kater, ein Kindheitserlebnis und die Tollwut des Hasses

von Jehoschua Sobol  16.10.2024

Agi Mishol

»Mein Schutzraum ist zwischen den Konsonanten«

Warum Dichter während des Krieges über die Natur, Kinderlachen und die Liebe schreiben müssen

von Anat Feinberg  16.10.2024

Spurensuche

Das richtige Leben?

Olga Grjasnowas neuer Roman ist mehr als nur eine Familiengeschichte

von Nicole Dreyfus  16.10.2024

Liebesgeschichte

Rückwärts ins Vergessen

Frankreichs literarische Überfliegerin Eliette Abécassis präsentiert einen Roman ohne größere Überraschungen

von Sophie Albers Ben Chamo  16.10.2024

Maria Stepanova

Zarter Ton des Trostes

»Der Absprung« besticht durch sprachliche Brillanz

von Maria Ossowski  16.10.2024