Glosse

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images/iStockphoto

In jedem Sommer wird Brüssel von Touristen überschwemmt. Sie kommen von überallher, auf einer schmierigen Brüsseler Rolltreppe entsteigen sie dann der versifften Brüsseler U-Bahn, blinzeln auf dem Bahnhofsvorplatz ins Sonnenlicht, um sich dann wie konfuse Ameisen in alle Himmelsrichtungen zu verteilen.

Die einen trappeln Richtung Rue de la Montagne, und ich möchte ihnen zurufen: Nein, gehen Sie nicht dorthin! Die ganze Ecke dort riecht nach Pipi und wird von einigen sehr düsteren Gestalten mit Bierdosen in der Hand bevölkert. Die anderen Touristen wenden sich zur Rue des Colonies, und auch ihnen möchte ich zurufen: Biegen Sie nicht links ab! Das ist ein beliebter Drogen-Umschlagplatz! Aber auch in die andere Richtung sollten Sie lieber nicht gehen, da werden öfter Leute zusammengeschlagen oder zumindest beklaut.

Wissen Sie denn nicht: Brüssel ist die europäische Nummer eins der Kleinkriminalität? Diese Stadt hat ein Verkehrsproblem, ein Drogen-, Abwasser- und Müllproblem, kurz, sie steht kurz vor dem Kollaps! Schnell! Drehen Sie um, steigen Sie zurück in den Zug und fahren Sie irgendwo anders hin! Zum Beispiel sollen doch Gent oder Brügge oder Amsterdam auch sehr hübsch sein? Na? Nur ein Tipp.

Aber es hilft nichts, die Touristen strömen weiterhin jedes Jahr in dieses traurige, übel riechende Loch, ich weiß nicht, warum. Haben die kein Internet, um vor ihrem Urlaub bereits zu googeln, wo man besser nicht hinfahren sollte? Online gibt es doch jede Menge Chatforen zum Thema: »Most Hated European City«, und Brüssel ist jedes Mal unter den Top 3.

Manchmal bin ich froh, dass die kostbarsten Touri-Infos eben nicht im Internet stehen und man die echten Urlaubs-Perlen wirklich nur durch Zufall entdecken kann.

Aber gut. Manchmal bin ich froh, dass die kostbarsten Touri-Infos eben nicht im Internet stehen und man die echten Urlaubs-Perlen wirklich nur durch Zufall entdecken kann. Hier gleich mal ein Beispiel. Meine Freundin Tamara hatte neulich richtig Krach mit ihrem Mann, es ging wieder einmal um das Thema »Geldanlage«. Tamara wollte die Kohle gern in zwei hübsche, ideal nebeneinander gelegene Grabstätten auf dem Skopusberg investieren.

Ihrem Mann schwebte aber eher ein Alterswohnsitz an der holländischen Küste vor. Er hatte auch schon etwas gefunden: ein Designer-Häuschen in einer exklusiven Wohnsiedlung samt Hotel in einem geheimen Fischerdorf in Zeeland, direkt neben einem Vogelschutzgebiet gelegen und nur über einen schmalen Deich erreichbar. Sie können sich bestimmt denken, wer diesen Kampf gewonnen hat.

Neulich sind wir vorbeigefahren, um uns besagtes Häuschen samt Fischerdorf aus der Nähe anzuschauen, und wir merkten, dass es sich hier um eine echte Perle handelt: knallblaues, sauberes Wasser, wunderbarer Strand, man kann an der Hotel­rezeption Fahrräder ausleihen und dann am Meer entlang radeln, sich zwischendurch einfach zum Abkühlen in die Fluten werfen und im Badeanzug weiterradeln.

Nur 45 Minuten von Antwerpen entfernt, und man ist völlig allein und inkognito! Wie das zauberhafte Kaff heißt, wollen Sie wissen? Sorry, streng geheim! Aber ich verweise Sie freundlich auf das Chatforum zum Thema »unentdeckte Touri-Perlen rund um Antwerpen, wo man bestimmt keine Bekannten trifft«.

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Kino

Road-Movie der besonderen Art

»A Real Pain« handelt von zwei Amerikanern, die auf den Spuren ihrer verstorbenen Großmutter durch Polen reisen und historische Stätten jüdischen Lebens besuchen

von Irene Genhart  10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025

Österreich

Schauspiel-Legende Otto Schenk ist tot

Der Darsteller, Intendant, Autor und Regisseur mit jüdischem Familienhintergrund galt als spitzbübischer Spaßmacher und zugleich tiefgründig Denkender. Er war ein gefragter Künstler - auch in Deutschland und in den USA

von Matthias Röder  10.01.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  10.01.2025 Aktualisiert

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 9. bis zum 18. Januar

 09.01.2025

Film

Wie naiv war ich?

Die Schauspielerin Adriana Altaras ist für eine Rolle nach Jordanien geflogen. Sie spielte eine Jüdin, die zusammen mit einem Palästinenser in Ramallah lebt. Bericht von einem verstörenden Dreh

von Adriana Altaras  09.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  09.01.2025