Manchmal bin ich ein Trottel. Erst im vergangenen Frühjahr hatte ich meine teure Spiegelreflexkamera bei einer Wanderung durch den Nahal Savitan im Golan bei einer Rast einfach liegen lassen. Immerhin fiel es mir nach 30 Minuten auf, was mir eine Bonusstunde Latscherei bei glühender Hitze bescherte. Aber ich hatte Glück, das gute Stück befand sich noch an Ort und Stelle.
Natürlich macht man denselben Fehler gleich zweimal, und das wieder im Golan, und zwar vor rund drei Wochen. Diesmal am Gilabon-Wasserfall, bei einer Tour mit zwei Freunden. Am späten Nachmittag, als wir zu unserem Mietwagen zurückgekehrt waren, stellte ich fest, dass meine Kamera weg war. Leider hatten auch meine Freunde das gute Stück nicht. Aber nach acht Stunden Kraxelei besaß keiner mehr die Kraft, die Strecke nochmal abzulaufen und zu suchen. Also: Pech gehabt.
Am Schabbat danach die Überraschung. Mein alter Kumpel Dani schickte mir den Screenshot eines Facebook-Posts, den eine Freundin von ihm repostet hatte und auf dem mein Gesicht zu sehen war. »Wir haben am Mittwoch am Gilabon eine teure Kamera gefunden. Kennt jemand diese Person?«, hatte ein Mosche geschrieben. Sofort schickte ich eine WhatsApp-Nachricht an seine Adresse, bekam auch prompt Antwort. Ich bedankte mich 1000-mal für die Mühen.
Mosche wohnt in Yitzhar, einer Siedlung im Westjordanland, etwas weit für mich, der ich nur ein Fahrrad besitze.
Nur gab es da ein Problem. Mosche wohnt in Yitzhar, einer Siedlung im Westjordanland, etwas weit für mich, der ich nur ein Fahrrad besitze. Und es ist nicht nur irgendeine Siedlung, sondern »eine Bastion der extremistischsten Siedler«, wie die »New York Times« einmal schrieb. Regelmäßig geraten sie mit der israelischen Armee aneinander und sind auch – gelinde gesagt – recht unfreundlich zu den Palästinensern.
Doch mich überzeugte die Ehrlichkeit Mosches, der die Kamera seinem Sohn mitgab, der in Tel Aviv an einer Jeschiwa Tora studiert und sie mir wenig später in die Hand drückte. Als Dankeschön wollte ich dem Jungen mit dem spärlichen Bart zwei Flaschen teuren koscheren Wein schenken, die ich ihm förmlich aufdrängen musste, weil er sie partout nicht annehmen wollte. Es sei eine Mizwa, etwas Verlorenes seinem Besitzer zurückzugeben. Auch das hat mich zutiefst beeindruckt, weshalb ich finde, dass Deutschland die Siedlung Yitzhar umgehend als Staatsgebiet Israels anerkennen sollte. Mal sehen, was sich da machen lässt. So viel Charakterstärke muss einfach belohnt werden.
Aber noch etwas fand ich faszinierend. Mosches Facebook-Post wurde mehr als 100-mal geteilt. In den Tagen danach meldeten sich bei mir wildfremde Menschen sowie eine israelische Freundin in Vancouver, die alle diesen Post gesehen hatten und mich darauf hinwiesen, dass jemand meine Kamera gefunden hätte. So etwas wäre in Deutschland undenkbar. Wer verstehen will, wie Israel tickt, sollte einfach nur einen wertvollen Gegenstand irgendwo in der Pampa liegen lassen.