Erinnern Sie sich noch an Ihren Lateinunterricht? Ja? Dann dürfte Ihnen die Redewendung »Cave Canem« etwas sagen. Vorsicht, bissiger Hund, sehr frei übersetzt. Ungefähr so also – so-bissiger-Hund-ähnlich – bin ich vor meinem ersten Kaffee. Natürlich belle ich niemanden an, ich beiße auch nicht, ich bin eher etwas wortkarg und höre eigentlich nur der Höflichkeit halber zu, sollte mich doch einmal jemand ansprechen. Nach dem ersten Kaffee aber sieht die Welt dann schon ganz anders aus.
Allerdings darf es auch nicht irgendeine Plörre sein! Ein klassisch aufgebrühter Kaffee wirkt Wunder und zaubert mir nach einigen wenigen Schlückchen schon ein Lächeln in mein Morgengesicht.
Flat White oder Latte macchiato
Manchmal gönne ich mir sogar einen Flat White oder einen Latte macchiato, aber nur, wirklich nur, aus den beiden Läden, die ich nach langjähriger Suche und nach vielen teuren (wir sind ja in Berlin-Mitte) und vermaledeiten Zubereitungsversuchen (zu dünner Kaffee, zu wenig Milchschaum, zu saurer Espresso, zu lauwarm) zu meinen Lieblingskoffeintankstellen erkoren habe.
Kürzlich hatte ich allerdings bei dem bloßen Gedanken an Kaffee viele Fragezeichen vor meinen noch müden Augen. Und das kam so: Ich las einen Artikel über ein israelisches Start-up, das den Kaffeeanbau revolutionieren möchte. Dieser ist ja bekanntermaßen nicht sehr klimafreundlich und weil aus Fleischzellen Fleisch und aus anderen Zellen andere Lebensmittel gezüchtet werden können, möchte dieses Start-up aus Kaffeebohnenzellen eben Kaffee »züchten«.
Aus den Bohnen und den Blättern der Kaffeepflanze werden Zellen extrahiert. Diese kommen in einen Bioreaktor, der originäre Wachstumsbedingungen simulieren können soll. Alle Biomasse, die die Kaffeepflanzen so zum Wachsen benötigen, erhält sie in diesen Geräten. Und daraus entsteht die Grundlage für den Kaffee, der dann ganz normal geröstet werden kann.
Der Vorteil: Während eine Kaffeepflanze nur wenige Male im Jahr Kirschen wachsen lassen kann, könne der »neue« Kaffee aus dem Bioreaktor theoretisch immer erzeugt werden, heißt es in dem Artikel. Diese Nachricht machte mich erst einmal ziemlich zappelig, so wie nach dem Genuss von vier doppelten Espressi ungefähr.
Die große Frage ist: Wie schmeckt das Ganze?
Die Idee des Start-ups, das übrigens »Pluri« heißt, ist ja ganz clever, aber die große Frage ist: Wie schmeckt das Ganze? So wie dieses grausame flüssige Gebräu, das löslicher Kaffee genannt wird? Oder – noch schlimmer – so wie Kapselkaffee, der geschmacklich so eigenartig ist, dass die Attraktivität von George Clooney diesen Geschmacksmangel optisch ausgleichen muss?
Fleisch essende Freunde erzählen mir ja, dass Fleisch, das aus Zellen hergestellt wurde, erstaunlich ähnlich dem eigentlichen Produkt sein soll. Auch aus Zellen hergestellter Fisch soll gut sein.
Bis ich allerdings den anders hergestellten Kaffee nicht selbst gekostet und mich von seinem freundlich-machenden Effekt überzeugt habe, sage ich: »Dubito, ergo sum«. Sie hatten ja auch mal Latein – und wissen, was das heißt.