Glosse

Der Rest der Welt

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Können Sie mit einem Papier-Schredder umgehen? Also ich nicht. In diskretem Büro-Beige gehalten, steht das hässliche klobige Ding, ein Relikt aus den 90ern, in einem leeren Raum ganz am Ende unseres Redaktionsbüros.

Ich habe einen riesigen Aktenhaufen zu entsorgen. Aber wie schmeißt man so ein Teil überhaupt an? Ich entdecke oben einen Kippschalter, drücke zaghaft … schon fängt der Schredder an zu brummen und gibt ein diskretes »Ping!« von sich.

Ich versuche, das Ding erst einmal mit einem Stapel Papier zu füttern. Aus dem Schlitz kommt ein empörtes Husten. Ich verstehe sofort und schiebe nur eine einzelne Seite ein. Mit einem hungrigen »Rattata« wird das Papier eingezogen. Wenn man jede Seite einzeln einführen muss, sitze ich morgen früh noch hier! Zwei Seiten? »Rattata«, meint der Schredder. Also rein damit! Auch drei oder vier Blätter gehen ohne Problem. Fünf? Mit einem asthmatischen Keuchen stellt der Schredder sofort seine Arbeit ein und rührt sich nicht mehr.

»R« steht wohl für »Retour«, wie ich zu spät merke

Entnervt drücke ich auf diversen Knöpfen herum. An der Seite finde ich einen großen roten Schalter mit einem »R« darauf. Ich drücke. »R« steht wohl für »Retour«, wie ich zu spät merke, denn nun spuckt das Gerät sämtliches geschreddertes Material einfach wieder aus. Meterlange Papierröllchen schieben sich in einem Affentempo aus der Maschine, bald stehe ich knietief in Papierwolle. Und ausschalten lässt sich das Teil nicht.

Ich robbe also unter den Schreibtisch, ignoriere meine knirschenden Kniescheiben und ziehe den Stecker. Der Schredder gibt ein leises Rülpsen von sich, die Papierlawine stoppt abrupt. Da geht die Bürotür auf. Der Chefredakteur und zwei Assistenten starren mich entgeistert an, wie ich auf einer stillgelegten Lawine von Schredderpapier knie. Am liebsten würde ich in den Erdboden versinken. »Was ist denn hier los?«, fragt eine Assistentin. »Ist der Schredder explodiert?« Alle drei biegen sich vor Lachen. Da drängelt ein anderer Redakteur nach vorn. »Sofort die Fenster öffnen!«, keucht er, »oder wollt ihr euch eine Staublunge holen?«

Ich krümme mich keuchend auf meinem Schredderpapier-Teppich

Da erst bemerke ich, was für einen Papierstaub der Monsterschredder generiert hat. Auf einmal packt mich ein Hustenreiz, ich kann gar nicht mehr aufhören, zu husten und zu niesen. Ich krümme mich keuchend auf meinem Schredderpapier-Teppich, sogar die Redakteure bekommen auf einmal Mitleid. Der eine fächert mir Luft zu, während ich mich röchelnd auf einen Stuhl rette, die Sekretärin reicht mir ein Glas Wasser.

Und jetzt? Ende gut, alles gut, möchten Sie sagen? Da kennen Sie mein Büro schlecht. Es ist kaum zu glauben, in welcher Windeseile die Redaktion ein paar sehr pikante Handyfotos von mir geschossen, farbig ausgedruckt und im ganzen Haus aufgehängt hat. Man sieht mich, puterrot, mit hervorquellenden Augen und am ganzen Körper mit Papierschlangen bedeckt, nach Luft schnappen. Ich sehe aus wie eine Art Schreddermonster. Aber Rache ist Blutwurst. Beim nächsten Mal füttere ich das Ding mit ein paar Büroklammern.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025