Gwyneth Paltrow, Jennifer Aniston, Uma Thurman … die sind alle über 50 (genau wie ich), sie sehen fantastisch aus (während ich noch etwas an meinem Look feile), und sie haben alle etwas, das ich mir unbedingt auch anschaffen muss. »Curated Ears«, so heißt dieser Trend, in anderen Worten: personalisiertes Ohren-Styling! Nicht nur zwei spießige Ohrlöcher, wie ich sie habe, sondern ein drittes, viertes, gar fünftes!
Auf Instagram sieht man dann die VIP-Ohren wunderschön im Sonnenlicht glitzern und funkeln. Ich will auch! Ich beschließe, die neuesten Trends erst einmal online zu checken. Ohr-Stacking heißt das, wenn man seine Ohren mit vielen verschiedenen Studs, Cuffs und Ringen garniert. Ich überlege, mal den »Virtual Stacking Designer« zu testen, da kann man Ohr-Fotos hochladen und mehrere Looks ausprobieren. Aber die eigenen Ohren zu fotografieren, ist schwieriger, als man denkt!
Hilfestellung von meiner über-hippen Tochter
Ich frage meine über-hippe Tochter Emma um Hilfestellung. Die nuschelt irgendetwas von »voll peinlich« und »Midlife-Crisis«. Ich verweise auf die hippen Ohren von Gwyneth, Jennifer und Uma! Emma rollt nur mit den Augen und zeigt mir einen Online-Artikel. »Die stille Rebellion: Midlife-Piercing« – so heißt das anscheinend, wenn Muttis in meinem Alter nochmal einen auf »edgy« und verwegen machen wollen und sich die Ohren mit Piercings vollknallen. Ist mir egal!
Ich telefoniere herum und mache einen Termin zum Ohrloch-Stechen. »Sind Sie sich da wirklich ganz sicher?«, meint die coole Piercing-Fee im Ohrring-Shop und mustert mich abschätzig. Ich bleibe standhaft und entscheide mich für ein drittes Loch im rechten Ohr, mit einem kleinen Glitzersteinchen. Als die Piercing-Fee ihre Ohrloch-Pistole hervorholt, wird mir doch etwas mulmig. Aber ich schaffe es, nicht in Ohnmacht zu fallen, und verlasse wenige Minuten später den Laden mit meinem umwerfenden neuen Look. Ich komme mir so cool vor!
Abends sind wir bei meinen Eltern zu Besuch. Ich präsentiere mein Ohr-Piercing, und meine Mutter ist total schockiert: »Wie siehst du denn aus«, zetert sie, »was hast du getan? Du kannst doch so nicht auf die Straße, siehst aus wie ein Hippie!« Ich grinse und fühle mich noch viel cooler als vorher. Rebellion!
Bei religiösen Freunden zum Freitagabendessen
Einige Tage später sind wir bei religiösen Freunden zum Freitagabendessen eingeladen. Meine Freundin Perla trägt heute Abend keinen Scheitel, sondern ein Kopftuch, sodass ihre Ohren sichtbar werden – und ihre drei Ohr-Piercings! Ich bin einigermaßen schockiert. »Ja, cool, oder?«, meint Perla, »meine Tochter hat mir das dritte Ohrloch geschossen!« Vor Schreck verschlucke ich mich an meinem Kartoffelkigel. »Ja, Ear-Partys sind im Moment total in bei uns in der Aguda!«, erklärt mir Perlas Teenager-Tochter Shaindy.
Ihre Freundinnen hätten sich bei Amazon Ohrloch-Pistolen und das ganze Zubehör gekauft, und jetzt könnten sich alle gegenseitig Ohrlöcher schießen! So viel zum Thema meines neuen Status als »edgy, hip und hardcore« – sogar die Mädels von der Aguda sind cooler als ich! Muss mir jetzt wohl etwas anderes überlegen. Vielleicht mache ich’s wie Cameron Diaz und hole mir ein Nasen-Piercing?