Glosse

Der Rest der Welt

Was Gefilte Fisch mit meinem neuen Laptop zu tun haben

von Beni Frenkel  03.09.2023 07:00 Uhr

Foto: Getty Images / istock

Was Gefilte Fisch mit meinem neuen Laptop zu tun haben

von Beni Frenkel  03.09.2023 07:00 Uhr

Irgendwann ging er halt kaputt, mein schöner Laptop. Mein Rechner, auf dem ich heiße Liebesbriefe, Rechnungen und Kolumnen geschrieben habe. Zehn Jahre hatte er auf dem Buckel. Eine Katze wäre da längst im Rentenalter. Wobei angefügt werden muss, dass die Vierbeiner länger leben. Dass der Rechner tot ist, habe ich zu verschulden. In der Umhängetasche lag er neben einem Joghurt. Warum ich die beiden gegensätzlichen Dinge an diesem Morgen gepaart hatte, weiß ich nicht mehr. In der Regel überlege ich nie viel.

Himbeerjoghurt bahnte sich einen Weg durch die Buchstaben H, J, K und L. Irgendwann machte der Computer »Tschakgrrrfck« – und aus die Maus. Kein richtiges Lebewohl, einfach Tschakgrrrfck, und dann war dunkel. So will ich nicht gehen. Ich machte auf Herzmassage und drückte immer wieder auf die Einschalttaste. »Komm zurück!«, schrie ich. Nein, ich flüsterte, denn ich war im Warteraum eines Bahnhofs. Die Leute guckten schon komisch, als das Laptop laut Tschakgrrrfck machte und dann verstummte.

fußballfeld Allzu sentimental bin ich auch nicht. Eine Stunde später war ich im Media Markt. Ich machte Augen. Die Laptops kosteten nur noch einen Bruchteil von damals. Mir war in Erinnerung, dass die günstigsten früher 2000 Euro kosteten. Ich kaufte nun einen für 300. Das ist doch lächerlich wenig. 300 Euro. Dafür bekommt man höchstens 20 Gläser Gefilte Fisch, eine Woche jüdische Privatschule oder einen Tallit. Wenn Journalisten eine Fläche veranschaulichen wollen, benutzen sie häufig Fußballfelder: Das Feuer zerstörte eine Fläche im Umfang von 200 Fußballfeldern.

Wenn von Längen die Rede ist, wird der Kölner Dom als Referenz genommen. Wenn ich über Geld spreche, habe ich immer ein Glas Gefilte Fisch im Kopf. Diese schlabberartigen Fischbälle, die man nur mit viel, sehr viel Mayonnaise essen kann. So ein Glas kostet heute 15 Euro. Vor 20 Jahren kostete es 5 Euro. Für 2000 Euro bekam man damals, wir haben es gerade erwähnt, einen Computer. Sein Gegenwert: 400 Gläser Gefilte Fisch. Eine Speisekammer voll damit.

300-euro-modell Und heute? Heute muss man sich zwischen einem Laptop und 20 Gläsern Gefilte Fisch entscheiden. Keine leichte Entscheidung. Der Berater im Media Markt zuckte mit den Achseln, als ich ihn nach dem günstigsten Modell fragte. Das 300-Euro-Modell wog doppelt so viel wie der zweitgünstigste Laptop. Das beeindruckte mich aber wenig. »Für 30 Euro gibt es den Rechner schon fertig installiert. Sie müssen nur noch ein Passwort eingeben.« 30 Euro, dachte ich mir, das ist nicht viel. Außerdem werde ich dann nicht fluchen, weil ich nichts verstehe. Andererseits bedeuten 30 Euro zwei Gläser Gefilte Fisch.

Ich überlegte hin und her. Schließlich war ich einverstanden. Kein Gefluche beim Installieren, das ist gut. Wir stehen ja kurz vor Rosch Haschana, dem Weltgerichtstag. Und dann bin ich bei meiner Schwester zum Abend eingeladen. Es gibt Gefilte Fisch als Vorspeise.

Leon de Winter

»Man fängt an, mit dem Hund zu reden«

Ein Interview mit dem Schriftsteller über seinen neuen Roman, die »Judenjagd« in Amsterdam und die Zukunft jüdischen Lebens in Europa

von Ralf Balke  22.01.2025

Berlin

Timothée Chalamet bei Berlinale erwartet

Auch jüdische Mitglieder der Filmwelt stehen im Mittelpunkt des Festivals

von Sabrina Szameitat  22.01.2025

TV-Tipp

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Drama über einen jüdischen Belgier, der als angeblicher Perser in einem Konzentrationslager einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll

von Michael Ranze  21.01.2025

Meinung

Wenn Freunde peinlich werden

Das Auswärtige Amt hat einem deutsch-israelischen Stand bei der Frankfurter Buchmesse eine Absage erteilt. Ein Armutszeugnis für Außenministerin Baerbock, findet unsere Redakteurin Ayala Goldmann

von Ayala Goldmann  21.01.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

Tzimmes

Rezepte und Leckeres

 21.01.2025

Interview

»Vornamen prägen«

Rabbiner Dovid Gernetz über den beliebtesten Babynamen in Deutschland und seine jüdischen Wurzeln

von Mascha Malburg  21.01.2025

Kindertransport

Historischer Fund

Rund 10.000 jüdische Kinder konnten den Nazis nach dem Novemberpogrom von 1938 entkommen. Die Forscherin Amy Williams entdeckte in Yad Vashem fast die gesamten Transportlisten

von Bill Niven  21.01.2025

Literatur

Die Heimatsuchende

Heute vor 50 Jahren starb Mascha Kaléko. Ihre Dichtung bleibt erschreckend aktuell

von Nicole Dreyfus  21.01.2025

Kulturkolumne

Gogol oder Döblin?

Warum die Liebe zur Literatur stärker ist als Hass auf ein Regime

von Eugen El  20.01.2025