Irgendwann ging er halt kaputt, mein schöner Laptop. Mein Rechner, auf dem ich heiße Liebesbriefe, Rechnungen und Kolumnen geschrieben habe. Zehn Jahre hatte er auf dem Buckel. Eine Katze wäre da längst im Rentenalter. Wobei angefügt werden muss, dass die Vierbeiner länger leben. Dass der Rechner tot ist, habe ich zu verschulden. In der Umhängetasche lag er neben einem Joghurt. Warum ich die beiden gegensätzlichen Dinge an diesem Morgen gepaart hatte, weiß ich nicht mehr. In der Regel überlege ich nie viel.
Himbeerjoghurt bahnte sich einen Weg durch die Buchstaben H, J, K und L. Irgendwann machte der Computer »Tschakgrrrfck« – und aus die Maus. Kein richtiges Lebewohl, einfach Tschakgrrrfck, und dann war dunkel. So will ich nicht gehen. Ich machte auf Herzmassage und drückte immer wieder auf die Einschalttaste. »Komm zurück!«, schrie ich. Nein, ich flüsterte, denn ich war im Warteraum eines Bahnhofs. Die Leute guckten schon komisch, als das Laptop laut Tschakgrrrfck machte und dann verstummte.
fußballfeld Allzu sentimental bin ich auch nicht. Eine Stunde später war ich im Media Markt. Ich machte Augen. Die Laptops kosteten nur noch einen Bruchteil von damals. Mir war in Erinnerung, dass die günstigsten früher 2000 Euro kosteten. Ich kaufte nun einen für 300. Das ist doch lächerlich wenig. 300 Euro. Dafür bekommt man höchstens 20 Gläser Gefilte Fisch, eine Woche jüdische Privatschule oder einen Tallit. Wenn Journalisten eine Fläche veranschaulichen wollen, benutzen sie häufig Fußballfelder: Das Feuer zerstörte eine Fläche im Umfang von 200 Fußballfeldern.
Wenn von Längen die Rede ist, wird der Kölner Dom als Referenz genommen. Wenn ich über Geld spreche, habe ich immer ein Glas Gefilte Fisch im Kopf. Diese schlabberartigen Fischbälle, die man nur mit viel, sehr viel Mayonnaise essen kann. So ein Glas kostet heute 15 Euro. Vor 20 Jahren kostete es 5 Euro. Für 2000 Euro bekam man damals, wir haben es gerade erwähnt, einen Computer. Sein Gegenwert: 400 Gläser Gefilte Fisch. Eine Speisekammer voll damit.
300-euro-modell Und heute? Heute muss man sich zwischen einem Laptop und 20 Gläsern Gefilte Fisch entscheiden. Keine leichte Entscheidung. Der Berater im Media Markt zuckte mit den Achseln, als ich ihn nach dem günstigsten Modell fragte. Das 300-Euro-Modell wog doppelt so viel wie der zweitgünstigste Laptop. Das beeindruckte mich aber wenig. »Für 30 Euro gibt es den Rechner schon fertig installiert. Sie müssen nur noch ein Passwort eingeben.« 30 Euro, dachte ich mir, das ist nicht viel. Außerdem werde ich dann nicht fluchen, weil ich nichts verstehe. Andererseits bedeuten 30 Euro zwei Gläser Gefilte Fisch.
Ich überlegte hin und her. Schließlich war ich einverstanden. Kein Gefluche beim Installieren, das ist gut. Wir stehen ja kurz vor Rosch Haschana, dem Weltgerichtstag. Und dann bin ich bei meiner Schwester zum Abend eingeladen. Es gibt Gefilte Fisch als Vorspeise.