Unfreundliche Leute kann ich nicht leiden. Wenn mein Kollege – was zum Glück nur sehr selten vorkommt – morgens nicht grüßt, ist mir der halbe Tag verdorben. Manchmal brauche ich bis zur Mittagspause, um wieder ins Lot zu kommen. Deshalb versuche ich nach Kräften, positiv zu wirken, zu lächeln – und vor allem immer nett zu grüßen. Ob es mir gelingt? Fragen Sie meine Kolleginnen und Kollegen. Ich fürchte, auf meinem Grabstein wird stehen: »Sie bemühte sich immer, freundlich zu sein!«
Um mich von dieser ständigen Anstrengung zu erholen, gehe ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio. Dort powere ich mich beim Langhanteltraining aus. Oder beim Kriegstanz der Maori. Leider macht zu viel Sport offenbar auch nicht glücklich. Aus dem Gleichgewicht bringen mich vor allem Israelis, die mir im Studio über den Weg laufen.
frauen-umkleide Unlängst saß ich in der Frauen-Umkleide und wollte meine Turnhose anziehen, als eine wütende Frau meinen Weg kreuzte und mich mit schwerem hebräischen Akzent maßregelte. Was mir einfiele, den Raum zu kontaminieren? Zugegeben, ich war barfuß und hatte kein Handtuch untergelegt. Aber seit wann regiert in Wilmersdorf die Hygienepolizei? Weil mir zur Rechtfertigung nichts einfiel, rannte die Israelin zum Personal des Studios, um Konsequenzen gegen mich zu fordern.
Da ist mir die Sicherung durchgebrannt. Ich zischte sie an – auf Hebräisch! –, ich sei froh, nicht in Zeiten der Blockwarte zu leben. Im heutigen Deutschland seien Denunziationen nicht mehr angesagt! Das könne sie sich ein für alle Mal merken! Die Frau war so perplex, dass sie gar nichts mehr erwiderte. Seitdem habe ich sie nicht mehr beim Langhanteltraining gesehen.
So war das aber nicht beabsichtigt, ich bin für die Integration von Migrantinnen, sofern sie sich an die Spielregeln halten! Falls die Israelin wieder einmal in der Umkleidekabine auftaucht, stelle ich ihr zur Versöhnung eine Flasche »Economica« vor den Schrank. Wer den Stoff nicht kennt: Es handelt sich um israelische Chlorbleiche, die ganze Bakterienstämme auslöschen kann. Übrigens arbeite ich auch hart an mir selbst. Seit dem Vorfall gehe ich nicht mehr ohne Badeschlappen ins Fitnessstudio!
überschriftenkonferenz Ein anderer Israeli hatte neulich das Pech, mich zwei Stunden nach der Überschriftenkonferenz auf dem Laufband anzutreffen – ein schlechter Zeitpunkt für entspannte Gespräche. »Hallo«, sagte der Ärmste. »Ich will nicht über Arbeit reden!«, herrschte ich ihn an. Der Mann suchte das Weite. Ich habe mich später entschuldigt. Noch besser wäre es gewesen, von vorneherein freundlich zu sein, dann bräuchte ich keine Abbitte zu leisten …
Es gibt aber tatsächlich Leute, die mir im Fitnessstudio Themen für Artikel andrehen wollen (»Warum habt ihr nicht berichtet?«) und nicht begreifen, dass auch Berufsjüdinnen den Feierabend brauchen, sonst sind sie morgens nicht mehr in der Lage, ihre Kolleginnen angemessen zu grüßen. Aber das ist vielleicht nur eine Ausrede. Wir möchten doch alle freundlich sein. Die Frage ist bloß: Warum sind wir es dann nicht?