Finale

Der Rest der Welt

Zürich ist neuerdings bekannt für seine Teppiche. Foto: Getty Images/iStockphoto

Finale

Der Rest der Welt

In Zürich gibtʼs für jeden ein Plätzchen – und Teppiche gratis

von Beni Frenkel  06.05.2023 22:43 Uhr

In Zürich gibt es etliche jüdische Gemeinden. Ich habe längst aufgehört, sie zu zählen. Wer liberal ist, findet leicht eine Synagoge. Auch traditionelle Juden, orthodoxe oder superorthodoxe: Für alle gibtʼs in Zürich ein Plätzchen.

Ich war schon in drei Gemeinden Mitglied, aktuell bezahle ich doppelt Gemeindesteuern. Das Schöne an jüdischen Gemeinden ist: Man wird eigentlich nie rausgeschmissen. Ich kenne zumindest keinen Fall. Vielleicht wird man in einer orthodoxen Gemeinde rausgeworfen, wenn man am Schabbat öffentlich Schweinefleisch isst. Und in einer liberalen Gemeinde vielleicht, wenn man den wöchentlichen Ruhetag einhält. Ich weiß es nicht.

Frisur Als ich Mitglied in einer sehr orthodoxen Gemeinschaft war, wäre es beinahe dazu gekommen. Ich schrieb damals für die »NZZ am Sonntag« und bekam immer kuriose Bitten vom Redaktionsleiter. Einmal musste ich über die verschiedenen Frisuren von Hillary Clinton schreiben. Ein anderes Mal bat mich der Chef, über jüdische Frauen zu recherchieren: Warum sind so viele so sexy?

Dieser Text sorgte dann in der orthodoxen Gemeinde für Gesprächsstoff. Es war nicht das erste Mal, dass ich über heikle Themen schrieb. Der Text über die Frauen war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Vorstand kam zusammen. Da einer fehlte, blieb es bei einem Patt. Die Hälfte wollte mich raushaben, die andere zeigte sich tolerant. Der Rabbiner musste entscheiden: Ich durfte bleiben.

Das rechne ich ihm hoch an. Irgendwann wechselte ich trotzdem zu einer Gemeinde, die nicht so religiös ist. Mit dem Rabbiner verstehe ich mich aber immer noch gut. Ich sehe ihn etwa einmal im Monat, und dann grüße ich ihn herzlich.

Fahrrad Vergangenen Sonntag habe ich ihn mit seiner Frau gesehen. Sie liefen gemeinsam auf dem Gehsteig und waren vertieft in ein Gespräch. Ich kam von hinten mit dem Fahrrad. Etwa 50 Meter vor mir lag ein Teppich am Straßenrand. »Gratis zum Mitnehmen«, stand auf einem Zettel. Das konnte ich von Weitem lesen. Was ist, wenn der Rabbiner den Teppich nimmt? Ich trat in die Pedale und überholte die beiden.

Ein wunderschöner Teppich war das. Mit ein paar Flecken und Löchern. So fein geknüpft, dass er bestimmt von Kindern gefertigt wurde. Während ich das gute Stück bewundernd anguckte und zusammenrollte, kamen der Rabbiner und seine Frau immer näher.

Die Rebbetzin schielte auf den Teppich und zeigte Anflüge von Neid. Das war mir unangenehm. »Hier, ich will ihn nicht«, sprach ich die Rabbinerfrau an. »Really? You donʼt like it?« »Nein«, log ich, »for you!« Der Rabbiner strahlte mich an. So, jetzt sind wir quitt, dachte ich.

Das nächste Mal lasse ich mich gern rausschmeißen.

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025