Viele Jahre habe ich Jom Haazmaut nicht mehr in Israel gefeiert. Auch diesmal wird es nichts mit der legendären Party auf dem Dach meines Lieblingscousins in Tel Aviv. Denn ebendieser Cousin ließ mir gerade ausrichten, sein Grill sei kaputt. Da kann man nichts machen, ich bleibe also in Berlin.
75 Jahre Israel – darauf werde ich in der Diaspora mit meinen Freundinnen und Verwandten anstoßen. Vielleicht ist das auch gut so. Wo sonst könnte man sich den jüdischen Staat noch schöner trinken, als er sowieso schon ist? Auch in dieser Beziehung war auf meinen Cousin früher mehr Verlass. Sein jordanischer Arak ist legendär, aber das letzte Mal, als ich ihn in Tel Aviv besuchte, schenkte er statt Arak Ouzo aus.
ouzo Nichts gegen Ouzo, aber es ist nicht der gleiche Geist wie in der Arakflasche unserer Cousins von gegenüber (ich meine die Jordanier).
Den ganzen Tag nach dem israelischen Ouzo hatte ich Kopfschmerzen. An Jom Haazmaut also wieder echter Arak! Zum Glück komme ich in Berlin mindestens genauso leicht an jordanischen Stoff wie in Tel Aviv. In der deutschen Hauptstadt musste ich noch nie erleben, dass mich jemand bei einer Jom-Haazmaut-Party mit einem Plastikhammer attackieren wollte oder mir Klebespray in die Haare sprühte.
Sorry, aber für manche israelischen Bräuche fühle ich mich einfach zu alt. Unsere Feinde – möge ihr Name ausgelöscht sein – behaupten, an Jom Haazmaut zeige sich einmal wieder deutlich die Mentalität des zionistischen Gebildes und seiner Bewohner. Ein Volk, das sich am Jahrestag seiner Staatsgründung gegenseitig mit Hämmern auf den Kopf schlägt!
Wir Galutjüdinnen und -juden lieben uns doch alle und halten immer zusammen. Und zu Israel!
Das ist natürlich totaler Quatsch – vor 75 Jahren, als Ben Gurion den Staat Israel proklamierte, gab es noch keine Plastikhämmer. Die sind eine blöde Marketingidee und ideologisch vollkommen unterkomplex, wie man das heute so nennt. Vielleicht sollte die israelische Regierung die quietschenden Hämmer trotzdem aus dem Verkehr ziehen – oder wenigstens dafür sorgen, dass sie auf den Köpfen der Antisemiten landen statt auf den Häuptern der eigenen Landsleute. Geht es vielleicht ein bisschen harmonischer?
diaspora Da sind wir Juden in der Diaspora doch ganz anders gestrickt. Niemals würde ein liberaler Jude einem Orthodoxen irgendein Werkzeug über die Rübe ziehen – geschweige denn, umgekehrt.
Wir Galutjüdinnen und -juden lieben uns doch alle und halten immer zusammen. Und zu Israel! Apropos: Es gibt Jom-Haazmaut-Bräuche, die ich nicht missen möchte. Tut mir leid, liebe Veganerinnen und Veganer: Ich grille sehr gern, und zwar nicht nur Paprika und Zucchini. Und ich zeige gern die Flagge mit dem Davidstern, vor allem, wenn es nötig ist. 75 Jahre nach Gründung des Staates Israel ist es nötiger denn je – ob in Berlin oder in Tel Aviv.
Meine Fahne liegt griffbereit, der Grill steht auf dem Balkon, den Arak hole ich gleich aus dem Gefrierfach. LeChaim, Israel! Auf das Leben! Auf die Freiheit! Auf die Demokratie! Auf die nächsten 75 Jahre! Und auf viele, viele Jahre danach!