Vor einem Monat kam der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch heraus. Das Buch des Suhrkamp Verlags trägt den Titel Wir haben es nicht gut gemacht. Um die Briefe zu veröffentlichen, musste zuerst einmal der Wille von Ingeborg Bachmann beiseite geschoben werden. Im Unterschied zu Max Frisch hatte sie nie einer Veröffentlichung zugestimmt.
Die Diskussion, ob der literarische Wert einer privaten Liaison wichtiger als ein Nein ist, wird nicht richtig und schon gar nicht leidenschaftlich geführt. Vielleicht ist meine Empörung etwas naiv. Zum Glück bin ich nicht berühmt, sonst müsste ich noch meine Liebesbriefe vernichten.
auktionen Ich bin aber auch froh, kein großer Rabbiner geworden zu sein. Da landen die Briefe nämlich auf Auktionen. Vor ein paar Monaten erzielte ein Schreiben des Chatam Sofer die Summe von 248.000 Dollar. Das Stück stammt aus dem Jahr 1830. Das Auktionshaus titelte trotzdem: »Handwritten!« Wäre der Brief mit einer elektrischen Schreibmaschine verfasst worden, wäre er wahrscheinlich für eine Million versteigert worden.
Wie Briefe von Rabbinern auf Auktionen landen, ist eine spannende Frage. Die Erben müssen ihre Töchter verheiraten und bringen dann die Devotionalien auf den Markt. Verständlich, aber doch irritierend.
Ich befinde mich in einer ähnlichen Situation. Vor ein paar Wochen starb mein Onkel. Vielleicht erinnern Sie sich an meine Kolumne vom Tisch, der nicht durch die Tür passte. Das war ebendieser Onkel. Er hieß Max Frenkel und gilt als einer der bekanntesten Schweizer Journalisten der vergangenen 30 Jahre. Sicher war er der berühmteste Schweizer Journalist jüdischen Glaubens.
Zum Glück bin ich nicht berühmt, sonst müsste ich noch meine Liebesbriefe vernichten.
Ein paar Tage, nachdem wir ihn bestattet hatten, erhielten wir bereits die erste Anfrage eines renommierten Archivs. Gern wolle man vorbeikommen und einmal schauen, was da so alles herumliegt. Nach einer Woche meldeten die Leute sich wieder und fragten irritiert, warum wir noch nicht geantwortet hätten.
fehde Ich bat die ein wenig aufdringlichen Schreiber, sich noch etwas zu gedulden. Viel Privates liege in der Korrespondenz, das wollten wir nicht mit der ganzen Welt teilen, schrieb ich. Zum Beispiel, ich muss das jetzt festhalten, eine langjährige Fehde mit der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, die meiner Oma anscheinend nicht den bevorzugten Synagogenplatz zuweisen wollte.
Mein Onkel setzte sich mit Verve dafür ein, dass seine Mutter den Platz 7b bekam. Da werde sie nicht gestört von krakeelenden Kindern und dem Windzug, begründete er seine Forderung. Der Briefwechsel endete dann irgendwann vor dem Oberrabbiner, der sich um den Sitzplatz meiner Oma kümmern sollte. Darf ich erwähnen, dass mein Onkel gewonnen hat? Wer das Archiv von Max Frenkel ansehen möchte, darf das gern tun. Ich bitte aber noch um etwas Geduld.