Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt, sagt mir meine Ima oft, nur um dann hinterherzuschieben: »Aber wenn du mal heiratest, dann bitte schon eine Jüdin.« Das klingt nicht nur wie eine Drohung, sondern ist auch so gemeint. Solange ich aber noch zu Hause lebte, in einer mittelgroßen Stadt in Südhessen, musste ich diese nicht für ganz voll nehmen: Die Zahl der potenziellen Partnerinnen ließ sich an einer Hand abzählen. Ein super Argument, mit dem ich meine Mutter immer abwimmeln konnte, wenn sie wieder einmal neugierig fragte, wie es bei mir »eigentlich aussieht«.
Schadchan Nun lebe ich schon eine Weile in Berlin, und meine Ausreden verfangen immer weniger. Nicht nur bin ich schon lange im heiratsfähigen Alter, meine selbst gewählte neue Heimatstadt ist vermutlich der Ort in Deutschland mit der größten jüdischen Bevölkerung. Einer ernst gemeinten Partnersuche stünde also nichts im Wege. Im Gegenteil: Alles in der jüdischen Gemeinschaft scheint genau auf dieses Ziel ausgerichtet zu sein. Schließlich ist es ein wichtiges Gebot im Judentum, Kinder zu kriegen, und der Heiratsvermittler hat im Hebräischen einen eigenen Namen: »Schadchan«. Offenbar hat dieses Thema auch in der Gegenwart unter Juden nichts an seiner Bedeutung verloren.
Bei der Anmeldung zu einer Purim-Party sollte ich doch glatt meinen Beziehungsstatus preisgeben.
Als ich mich einmal bei einer Purim-Party von Israelis in Berlin anmeldete, sollte ich doch glatt im Online-Formular meinen Beziehungsstatus preisgeben. »Sehr merkwürdig«, dachte ich und gab an: »It doesn’t matter.« Meine Befürchtung, man würde am Einlass farbige Bändchen erhalten, die indizieren, ob man vergeben sei oder nicht, trat dann zum Glück nicht ein. Aber der Verdacht, dass es bei solchen Gelegenheiten irgendwie immer auch um Kuppelei geht, erhärtete sich für mich.
JSwipe Als Dating-Apps vor einigen Jahren eine große Sache wurden, interessierte mich, ob es hier – wie eigentlich bei allem, was man sich denken kann – auch ein jüdisches Pendant gibt. Ja, gibt es: »JSwipe«. Das funktioniert ähnlich wie Tinder, nur eben ausschließlich mit Jüdinnen und Juden – und ist leider auch genauso frustrierend. Auf der Suche nach einer weniger nervigen Alternative fand ich schließlich die Facebook-Gruppe »Jüdische Singles«. Kaum war ich beigetreten, meldete sich auch schon der Gruppen-Admin, eine Art Internet-Schadchan, bei mir und fragte nach Details zu meiner Person, auf deren Grundlage er dann ein »Match« für mich finden würde. Das war mir dann doch nicht ganz geheuer, und ich brach auch diesen Versuch wieder ab – zum Leidwesen meiner Ima. Die wartet immer noch ungeduldig auf ihre jüdischen Enkelkinder.
Indes ist mir ein neues Argument eingefallen, mit dem ich ihre Erwartungen im Zaum halten kann: Wenn sie mal wieder betont beiläufig fragt, ob ich in Berlin jemand Nettes kennengelernt habe, sage ich ebenso beiläufig, dass ich mir so sicher gar nicht bin, dass das mit dem Familiengründen etwas für mich ist. Dann schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen und fleht: »Heirate, wen du willst, solange du nur irgendwann Kinder kriegst!«