Kein Zionismus ist auch keine Lösung, sagte ich mir am vergangenen Sonntag in der El-Al-Maschine, als ich von Tel Aviv nach Berlin zurückflog. Nach einer Woche Israel, unzähligen Verwandtenbesuchen und meiner Teilnahme an der Knesset-Wahl – die von mir favorisierte Partei landete direkt in der Opposition – war ich erschöpft und hatte rasende Kopfschmerzen.
Trotzdem bestellte ich bei der Stewardess einen Tomatensaft mit Wodka, obwohl ich wusste, mein Schädel würde am nächsten Tag noch schlimmer dröhnen. Und so kam es dann auch. Als die Maschine ihren Anflug auf den alten Flughafen Berlin-Schönefeld begann und ich – nach einer Woche Sonne und Temperaturen von bis zu 25 Grad – von oben den Schnee auf den Brandenburger Feldern erkennen konnte, begann der Katzenjammer.
winter »Hätte ich doch nach Israel auswandern sollten, anstatt von Oktober bis März zu frieren?«, sinnierte ich. Mal abgesehen vom deutschen Winter: Das Leben in Jerusalem oder Tel Aviv wäre sicherlich spannender. Was passiert denn schon in der deutschen Hauptstadt? Im Zweifelsfall: nichts. Wahrscheinlich wird der neue Flughafen BER erst eingeweiht, wenn der Messias längst erschienen und mit seiner Cessna auf dem Tempelhofer Feld gelandet ist.
Aber selbst dann werden die Berliner nicht zufrieden sein, sondern den Gesalbten aus dem Hause Davids ignorieren und weiter über die Verspätungen bei der S-Bahn nörgeln. Ich vielleicht auch: Als ich einem israelischen Touristen im Flugzeug erklären wollte, warum die Fahrt von Schönefeld zum Alexanderplatz mindestens eine Stunde dauern würde, war ich erschrocken darüber, wie sehr mir das Gemecker schon in Fleisch und Blut übergegangen ist.
stau Nicht, dass der Nahverkehr in Israel perfekt wäre. 1996 habe ich als Journalistin die Grundsteinlegung für die U-Bahn in Tel Aviv beobachtet – bis heute ist sie nicht gebaut worden. Und natürlich würde ich im jüdischen Staat wie alle Juden und Araber jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit stundenlang im Stau stehen.
Aber wer weiß, vielleicht hätte ich – anstatt in Berlin Glossen zu schreiben – in Israel eine große Karriere hingelegt? So wie Schelly Jachimowitsch, die israelische Journalistin, die in der neuen Knesset die Opposition anführen wird. Um erst gar nicht von Yair Lapid zu sprechen, dem Fernsehmoderator, der jetzt vielleicht zum Außenminister aufsteigt.
»Aber warum sich immer beschweren?«, fragte ich mich am Dienstagmorgen, als meine Kopfschmerzen verflogen waren. Habe ich nicht das Privileg, in zwei Welten zu leben? Und während ich meinem Mann noch vorjammerte, wie anstrengend mein Israel-Trip gewesen sei, habe ich in Wirklichkeit schon den Boden bereitet für die nächste Reise. Rosch Haschana mit der ganzen Familie im Galil! Schön, dass wir ein Fluchtziel haben, wenn der nächste Winter vor der Tür steht.