Menschen! Ihnen begegnet man, wenn man endlich einmal für längere Zeit die eigene einsiedlerische Homeoffice-Existenz verlässt, um in ein südliches Land zu fahren.
»Menschen«, das klingt im Deutschen irgendwie nach etwas Unzulänglichem und Beschützenswertem – vielleicht weil es vor einiger Zeit von Politikern hieß, man müsse »die Sorgen« »der Menschen« »ernst nehmen«. Doch erweckten die Menschen, denen ich an meinem diesjährigen Urlaubsort begegnete, nicht den Eindruck, es würde ihnen etwas fehlen. Denn: Venedig verleiht Eleganz und Würde!
hornbrillen Ob überdimensionale Hornbrillen tragende Kunstbetriebsbewohner in der Biennale-Ausstellung; zum obligatorischen Selfie ausholende Touristen auf dem Markusplatz; leicht bekleidete und dadurch ihre nicht immer vorteilhaften Körperformen betonende Strandbesucher auf dem Lido oder stets elegant gekleidete Einheimische beim abendlichen Aperol Spritz: Alle gehören in Venedig in irgendeiner Weise dazu, alle zwängen sich in die zuverlässig überfüllten Vaporetto-Wassertaxis, und alle versuchen, sich in der brütenden Hitze Abkühlung zu verschaffen und Contenance zu wahren.
Vor allem aber sind sie es, die Venedig krönen: die Menschen!
Was macht aber all diese Menschen so anmutig? Oder täusche ich mich gar, und waltet hier vielleicht der viel zu milde und nachsichtige Blick des Urlaubers? Denn: Kommen nicht Jahr für Jahr Gäste aus aller Welt nach Venedig, um sich inmitten der imposanten Kulisse aus den Schärfen und Zumutungen des eigenen Alltags hinauszuträumen? Ist Venedig nicht seit jeher ein Fluchtpunkt für Träumer jeglicher Couleur gewesen?
Eine Auflistung bedeutender Künstler, Literaten und Komponisten, die es in die beeindruckende Lagunenstadt verschlug, erspare ich Ihnen an dieser Stelle. Und auch, wenn ich mich tatsächlich kurz weggeträumt habe, ist in Venedig nicht alles Gold: Haben Sie schon einmal versucht, einen Cappuccino irgendwo rund um den Markusplatz zu trinken? Unter zwölf Euro geht da gar nichts!
bezahlstrände Bestimmt wurden auch Sie schon mal von Lidos unzähligen Privat- und Bezahlstränden vertrieben, um sich dann auf dem umso weiter entfernten und dichter belegten kostenlosen Strand einzufinden. Und versuchen Sie dann mal, auf dem Lido einen gut sortierten Zeitungskiosk zu finden, der ihren altmodischen Durst nach gedruckter Information stillt …
Aber genug der Nörgelei: Venedig leuchtet wieder, mit all seiner Schönheit und ihren Schattenseiten; die Kunstbiennale lockt; natürlich auch der Luxuskonsum; und selbst die eine oder andere Oligarchen-Jacht parkt wieder für alle sichtbar in der Lagune … Vor allem aber sind sie es, die Venedig krönen: die Menschen!