Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Daria ist 22 und verstimmt. Sie verbringt gerade ein Auslandsjahr in London, im Stadtviertel Golders Green, dem vielleicht jüdischsten Ort zwischen Israel und den USA. Aber einen netten jüdischen Freund findet sie dort trotzdem nicht. Das hatte Daria sich anders vorgestellt.
Nicht, dass Daria auf jüdische Männer fixiert wäre. Ein Jude wäre einfach eine nette Abwechslung gewesen. Darias Familie kam 2001 von Russland nach Deutschland. Genauer gesagt: nach Hannover. Weil dort das Angebot an jungen Juden recht eingeschränkt ist, musste Daria die gojischen Jungs nehmen, die sie auf den Straßen dieser Durchschnittsstadt traf.
männermangel Doch auf den Straßen von Golders Green scheint es nicht besser zu sein. »Ich sehe hier immer nur alte Orthodoxe mit Fedoras und Frauen mit Scheitel und Kinderwägen«, beschwert sich Daria. Kurz nach ihrer Ankunft fing sie an, im Gemeindezentrum Hebräisch-Unterricht zu nehmen und sich umzusehen. Aber die meisten Lernabende sind nach Geschlecht getrennt. Wenn Daria doch mal einem ansprechenden Kandidaten begegnet, hat der immer gleich seine Ehefrau dabei. Auch die attraktiven Männer im »White House«, dem berühmten koscheren Restaurant, wo die Uhren an den Wänden auch die Zeit in New York und Tel Aviv anzeigen, haben alle einen Ring am Finger.
Daria gehört zu den jungen deutschen Juden, die seit ihrer Kindheit neidisch in amerikanischen Fernsehserien erleben, was jüdisches Leben sein könnte, wenn man nicht in Deutschland leben würde. Sie träumt davon, einmal einen Jungen kennenzulernen, der zum Beispiel wie Seth Cohen aus der Serie The O.C. ist. »Er muss witzig sein. Und vielleicht rote Haare haben, am besten mit Jewfro.«
Wie wäre es mit einem Israeli? »Die Israelis, die ich bei Taglit getroffen habe, waren mir alle ein bisschen zu rau und rüde.« Ein Ex-Freund ist da schon begeisterter. Er träumt davon, in Israel eine Firma zu gründen, seit er bei einer Reise ein besonderes Erlebnis mit zwei israelischen Frauen gleichzeitig hatte. Nichtjuden sollen in Tel Aviv sehr erfolgreich sein.
internet Auch auf JDate, der größten jüdischen Partnerbörse im Internet, hat sich Daria umgesehen. Die Seite gehört in den USA längst zum jungen jüdischen Leben. Der Erfolg hat inzwischen zahlreiche Nachahmer inspiriert, wie das hiesige, etwas unheimliche juden.de, wo sich bereits 16-Jährige anmelden können. Oder TheJMom.com. Dort suchen Mammes nach geeigneten jüdischen PartnerInnen für ihre Kinder, ohne deren Wissen.
Apropos Mamme. »Meine Mutter hat mir schon gesagt, es wäre toll, wenn ich einen netten jevrejchik finden würde« erzählt Daria. »Der sollte natürlich am besten auch noch Arzt oder Anwalt sein. Aber ich hab’ ihr gesagt, dass das nicht so einfach ist. Wir leben ja nicht in New York, sondern in Hannover.«