Am Samstagabend bekam ich eine höchst irritierende Nachricht: Bei mir meldete sich eine Person, deren Identität ich an dieser Stelle nicht preisgeben kann. Die Person kam auf mich zu und hielt mir ihr Smartphone unter die Nase. »Hast du gesehen, es gibt einen Streit über dich bei Wikipedia!«
»Wie bitte?«, fragte ich. »Manche finden dich wichtig, und manche wollen dich wieder löschen«, sagte mein Informant. »Was?! Wer hat den Eintrag überhaupt angelegt?«, wollte ich wissen.
besserwisser 2.0 »Kann man nicht sehen«, sagte die Quelle, »er hat seinen echten Namen nicht hingeschrieben. Er nennt sich Besserwisser 2.0.« »Aha«, sagte ich, nahm dem Informanten das Smartphone aus der Hand und erhielt zum ersten Mal in meinem Leben Einblick in das Innenleben von Wikipedia.
Tatsächlich stritten sich Mitglieder der Online-Enzyklopädie im Netz, ob mir ein Eintrag gebühre. Die einen argumentierten, ich hätte ein Buch geschrieben. Die anderen sagten, es sei nicht genügend rezensiert worden.
Einer befand, ich sei »einfach eine Journalistin, die ihre Arbeit macht«, also bestehe kein Anlass, mich bei Wikipedia zu würdigen. Das ist übrigens ein 1-a-Kompliment, finde ich. Oder etwa nicht?
Aber wie peinlich ist das denn, dachte ich wenige Sekunden später. Alle Welt wird denken, dass ich den Eintrag selbst angelegt habe und mich wichtigmachen will. Und wer ist es, der mir das alles eingebrockt hat?
»Ich werde schon herausfinden, wer Besserwisser 2.0 ist«, sagte ich zu meinem Informanten. »Mal sehen, was der noch so alles auf Wikipedia veröffentlicht hat.«
account An dieser Stelle wurde meine Quelle ziemlich kleinlaut. »Ich selbst bin Besserwisser 2.0«, erklärte er. »Hast du nichts Besseres zu tun?«, fragte ich wütend. »Nein, mir war langweilig«, sagte der Besserwisser.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Schließlich ging ich ins Bett. Kurz vor dem Einschlafen dachte ich darüber nach, Besserwisser am nächsten Tag zu überreden, mich von seinem Account aus an die Kritiker meines Wikipedia-Eintrags adressieren zu lassen.
Falls ich mir trotzdem etwas wünschen darf, dann nur diesen einzigen Satz: »Sie ist einfach eine Journalistin, die ihre Arbeit macht …«
»Recht habt ihr, Leute, löscht mich!«, wollte ich schreiben. Aber dann würden sie natürlich alle erst recht davon ausgehen, dass der Eintrag meine eigene Idee war. Ich beschloss, eine Nacht darüber zu schlafen. Vielleicht würde sich das Problem von alleine lösen.
Am nächsten Morgen griff ich sofort nach meinem Smartphone, das auf dem Nachttisch lag. Ich googelte meinen Namen und »Wikipedia« und war sehr erleichtert: Die Löschfraktion hatte sich durchgesetzt, der Eintrag war verschwunden.
Allerdings hat jetzt irgendjemand einen ähnlich lautenden Eintrag über mich bei »EverybodyWiki« angelegt. Ich schwöre, auch das war nicht ich – und Besserwisser beteuert ebenfalls (diesmal glaubhaft), der Autor sei nicht er selbst. Liebe Wiki-Community, ich brauche keine Einträge! Aber falls ich mir trotzdem etwas wünschen darf, dann nur diesen einzigen Satz: »Sie ist einfach eine Journalistin, die ihre Arbeit macht …«