Glosse

Der Rest der Welt

Gelee-Bonbons und Taschentücher: Ich wäre dann so weit für die Barmizwa

von Margalit Edelstein  24.04.2022 06:03 Uhr

Foto: Getty Images

Gelee-Bonbons und Taschentücher: Ich wäre dann so weit für die Barmizwa

von Margalit Edelstein  24.04.2022 06:03 Uhr

»Nein! Niemals! Never!«, kreischt der kleine rothaarige Junge. »Ihr wisst, ich hasse Menschenmengen! Und ihr wisst, ich h-a-s-s-e es zu singen!« Der kleine Rothaarige ist inzwischen puterrot angelaufen vor Wut. »Und«, kreischt er zum Abschluss triumphierend, »diese ganze Barmizwa-Idee könnt ihr v-e-r-g-e-s-s-e-n! Das ist mein letztes Wort!«

Die Eltern des kleinen Rothaarigen müssen sich erst einmal den Stress-Schweiß vom Gesicht tupfen. Dann greifen sie mit zitternden Händen zum Telefon und versuchen, einen Barmizwa-Lehrer für das kleine, rothaarige Nervenwrack zu finden. Jemanden mit sehr, sehr guten Nerven und sehr, sehr viel Geduld.

kultstatus Erst denken sie kurz an den legendären Benny P., der schon Generationen von schwierigen Kindern für die Barmizwa vorbereitet hat. Dann fällt ihnen Assaf G. ein, der deutschlandweit einen gewissen Kultstatus bei Barmizwa-Jungs hat. Er ist jung und gut gelaunt – und macht einen sehr strapazierfähigen Eindruck. Natürlich ist Assaf auf Monate hin ausgebucht. Die beiden Eltern beknien ihn (per Telefon), und weil Assaf sehr gutherzig ist, lässt er sich breitschlagen. Assaf und der kleine rothaarige Stressball verabreden sich auf eine Barmizwa-Zoom-Session.

Schon bald sitzt der kleine Rothaarige mit glühenden Ohren und großen runden Augen vor dem Laptop-Bildschirm. Auch die Eltern sind einigermaßen hin und weg, denn der neue Lehrer hat zweifellos Charisma. Und schon nach 45 Minuten hat Assaf einen neuen Fan gewonnen und die Gemeinde Antwerpen einen neuen, begeisterten Barmizwa-Jungen. Das ist jetzt über ein Jahr her.

Inzwischen hat der Kleine einen gewaltigen Wachstumsschub hingelegt und sich in einen schlaksigen, charmanten, äußerst gut aussehenden Teenager verwandelt. Der charmante Rothaarige kann seine Haftara inzwischen längst auswendig. Seine Mutter hat schon kiloweise Gelee-Bonbons für den großen Tag besorgt, normale Bonbons tun ja richtig fies weh, wenn sie von der Frauenempore heruntergeworfen werden. Sein Vater hat ihm die schönsten Tefillin besorgt, die er in der Stadt auftreiben konnte. Und der Junge hat seinen Barmizwa-Anzug schon anprobiert und sieht einfach umwerfend aus.

party Vergangenen Donnerstag war die Hanachat-Tefillin-Party des rothaarigen Jungen in der Schulsynagoge. Alle seine Freunde waren da, und der Schulrabbiner und der Schuldirektor hielten begeisterte Reden auf den Jungen, der jeden Schabbat mit seinem Vater in die Synagoge geht und seinen Eltern und Großeltern nur Freude bereitet.

Da! Sehen Sie, ich muss schon wieder mein Taschentuch hervorholen und mir gerührt eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischen. Ist Ihnen aufgefallen, dass ich von nichts anderem mehr reden kann als von der anstehenden Barmizwa? Ja, wahrscheinlich schon, da Sie ja trotz allem diese Zeilen bis zum Ende durchgelesen haben. Vielen Dank dafür. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss eine neue Familienpackung Taschentücher besorgen: für den großen Tag.

Los Angeles

Adrien Brody: Kim Kardashian jagte mein Internet in die Luft

Adrien Brody kann für seine Rolle in »Der Brutalist« auf einen zweiten Oscar hoffen. Große Aufmerksamkeit bekam er zuletzt auch wegen eines Projekts, in dem er gar nicht mitspielt

 04.02.2025

Kulturkolumne

Die Willkür von Symbolen

Gedanken zu Swastika, Hakenkreuz und roten Dreiecken in Fernost

von Laura Cazés  04.02.2025

Kassel

Documenta-Gesellschaft veröffentlicht Verhaltenskodex

Die Weltkunstschau trete »jeder Form von Antisemitismus, Rassismus und jedweder anderen Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« aktiv entgegen, heißt es darin

 03.02.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von wegen Laufmaschen: Geschichten aus Strumpfhausen

von Nicole Dreyfus  03.02.2025

Eurovision

Der traurigste Tanz der Welt

Yuval Raphael überlebte den Nova-Rave am 7. Oktober. Nun vertritt sie Israel beim Song Contest

von Sabine Brandes  02.02.2025

Aufgegabelt

Jerusalemer Bagel

Rezepte und Leckeres

 02.02.2025

TV-Tipp

Paul Newman im großen Arte-Themenabend

Spielerdrama »Die Farbe des Geldes« und Doku über den US-Filmstar

 01.02.2025

Kultur

Uraufführung des Oratoriums »Annes Passion«

Über die Darstellung von Anne Frank in veschiedenen Kunstformen streiten Historiker und Autoren seit mindestens 70 Jahren. Das Oratorium von Evgeni Orkin entfacht die Kontroverse neu

von Valentin Schmid  31.01.2025

Nachruf

Grande Dame des Pop: Marianne Faithfull ist tot

In den »Swinging Sixties« war sie Mick Jaggers schöne Freundin - eine Zuschreibung, mit der sie später oft haderte. Nach Schlagzeilen und Drogensucht gelang ihr die künstlerische Wiederauferstehung

von Werner Herpell  31.01.2025