Vor der Haustür klingelte es. Ein Mann stand dort. Ob ich meinen Schlüssel verloren hätte, wollte er wissen. Ich wollte gleich nachschauen, da lachte er. So würde er halt immer beginnen. Er betreibe eine Schlüsselfundstelle. »Haben Sie bereits so einen Schlüsselanhänger?«
Ich log: »Ja, meine Frau.« Er wurde etwas misstrauisch. »Genau so einen?« Ich log etwas geschickter: »Nein, ein bisschen runder.« Er holte aus seinem Koffer einen riesigen Schlüsselbund, wie ihn früher Hausmeister getragen haben. »Ein bisschen runder, warten Sie kurz.«
Schmattes Nach einer Weile fand er einen Schlüsselanhänger, der tatsächlich etwas runder war. »So einen?« Ich nickte. Der Mann wirkte traurig. Und ich bekam Mitleid. Mein Großvater war früher »Schmatteshändler«, wie so viele Juden damals. Er tingelte von Bauernhaus zu Bauernhaus und versuchte, den Bäuerinnen Tücher und Lappen zu verlaufen. Bestimmt haben ihm viele Frauen die Tücher auch aus Mitleid abgekauft.
Ich überlegte mir, ob ich ihm ebenfalls einen Schlüsselanhänger aus Mitleid abkaufen soll. Allerdings kostet der Dienst fünf Franken pro Monat. 60 Franken im Jahr. Das finde ich doch ein bisschen viel, zumal ich noch nie meinen Hausschlüssel verloren habe.
Wie ich das geschafft habe? Nun, meine drei, vier Schlüssel stecke ich immer in die Innentasche meines Mantels. Immer. Ich bräuchte also keine Schlüsselfundstelle, sondern eine Mantelfundstelle. Wir guckten uns traurig an. Er mache das jetzt schon seit 27 Jahren, erzählte er mir. Ich nickte. Er roch ein bisschen.
lokomotive »Haben Sie Kinder?« Ich antwortete: »Ja, drei.« Er bückte sich wieder zu seinem Koffer. Aus einer der vielen Innentaschen kramte er eine Holz-Lokomotive. »Die verkaufe ich auch. Baue ich alles alleine. Schauen Sie einmal die Details an.« Ich nahm die Lokomotive in die Hand und bewunderte sie laut: »Tolle Arbeit!«
»Wie alt sind Ihre drei Kinder?« Ich log nun schon zum dritten Mal: »20, 25 und 29 Jahre. Leider zu alt für Lokomotiven.« Der Mann nahm das schöne Holzteil wieder zurück und sagte nur: »So, so.« Es war offensichtlich, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Hinter mir lagen Kinderkleider am Boden.
Gerne hätte ich ihm einen Kaffee gemacht oder mich noch ein bisschen länger unterhalten. Ich bin ja arbeitslos und habe viel Zeit, auch am Morgen. Der Mann winkte aber ab. Er müsse weitergehen, er arbeite von oben nach unten. Zuerst im obersten Stock und dann runter von Tür zu Tür.»Bei den Leuten unten werden Sie bestimmt Glück haben«, sagte ich ihm. Das war dann die vierte Lüge.