Der Frühling naht, die Vöglein zwitschern. Meine Kinder sind auf geradezu irritierende Weise gut gelaunt und lassen schulische Aktivitäten schleifen. Speziell meine Älteste Emma sieht man kaum noch an ihrem Schreibtisch.
Eines Abends klopfe ich zaghaft an die Tür, im Lampenschein sitzt sie über mit Formeln bedruckten und ausgefüllten Papieren. »Hast du die Physikarbeit zurückbekommen?«, erkundige ich mich vorsichtig, denn Emma mag es nicht, wenn ich mich einmische.
Nö, antwortet sie und lässt eine rosa Kaugummiblase direkt vor meinem Gesicht platzen, das sei die Physikarbeit von morgen. Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Weitere behutsame Nachfragen bringen ans Tageslicht, dass es auf dem Pausenhof einen gut funktionierenden und perfekt organisierten Schwarzmarkt für geleakte Schularbeiten des Vorjahres gibt.
Oxford Ich bin schockiert. In meinen Zukunfts-Tagträumen sah ich meine Emma bisher eigentlich immer als coole Studentin, in ein Buch vertieft, über irgendeinen verträumten, efeubewachsenen Uni-Campus wandern – Oxford oder Stanford vielleicht? Stattdessen erscheint vor meinem inneren Auge auf einmal ein großes Schild mit dem Wort »Jugendknast«.
Ich beschließe trotzdem, die Ruhe zu bewahren und erst einmal nicht aktiv zu werden. Tatsächlich fliegt die ganze Sache schon nach wenigen Tagen auf, die Schuldirektion ist stinksauer und kündigt an, dass es ab jetzt keine Doppelungen mehr bei den Schularbeiten geben wird.
Emma hat aber immer noch die Ruhe weg, und ihre Lernaktivitäten sinken auf ein höchst relaxtes Minimum. Denn ihre Kumpels haben sich inzwischen eine neue, ganz heiße Masche ausgedacht: Sie deponieren vor Klassenarbeiten gezielt Smartphones auf dem Schülerklo, und dann trudelt nach und nach die halbe Mannschaft dort ein, um die Antworten online »nachzuschlagen«.
Schulklo Auch diese Methode fliegt nach kurzer Zeit auf, und jetzt ist an Emmas Schule Schluss mit lustig. Smartphones werden einkassiert, Toilettenbesuche verboten, Tische auseinandergerückt – 1:0 für das Team Lehrkörper. Als Nächstes wird von ein paar Schlaumeiern ein Trupp Drohnen organisiert, der mit bedruckten Transparenten voller wichtiger Geschichtsdaten vor dem Klassenzimmer vorbeifliegt. Der Lehrkörper reagiert prompt und verlegt alle Klassenarbeiten in einen gut isolierten, fensterlosen Kellerraum mit Trennwänden zwischen den einzelnen Tischen, die vor jeder Schularbeit desinfiziert und auf verborgene Spickzettel hin gecheckt werden.
Aber so leicht gibt sich Emmas Klasse nicht geschlagen, weitere Recherchen laufen bereits. Anscheinend gibt es jetzt im Internet neuartige Mini-Sticker mit chemischen Formeln, die man sich auf die Schneidezähne kleben kann, ein Minispiegel wird mitgeliefert. Oder einen brandneuen Projektor-Kuli, der auf Knopfdruck mathematische Formeln an die Decke beamt.
Denn nach oben guckt der Lehrer bei Klassenarbeiten bekanntlich nie. Genial, oder? Wie es nun weitergeht mit der Spick-Saga erfahren Sie in Kürze an dieser Stelle.