Kurz vor Chanukka traf ich vor dem Café Benedict in Wilmersdorf eine Bekannte. »Ich fahre in den Weihnachtsferien nach Israel«, erzählte sie freudestrahlend. »Du bist ja optimistisch. Ich glaube nicht, dass du nach Israel fliegst. Bis dahin ist Deutschland auf der ›roten Liste‹«, sagte ich missmutig.
Seit drei Jahren sehe ich Israel nur noch in Netflix-Serien.
In Wirklichkeit war ich neidisch. Ich erinnere mich noch gut an das helle Licht, das die Sonne in Israel spendet. In meiner Fantasie wird es zu einem unablässigen Leuchten. Ach, könnte ich im deutschen Winter nur ein kleines bisschen davon abbekommen!
Seit drei Jahren sehe ich Israel nur noch in Netflix-Serien. Dann werde ich sentimentaler als meine Urgroßmutter. Schlimmer kann nur das babylonische Exil gewesen sein. »Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden«, heißt es in Psalm 126. Nur, wann ist es endlich so weit?
Ich weiß noch, wie das Mittelmeer aussah, als ich zum letzten Mal am Strand von Haifa spazieren ging. Ich erinnere mich an den besten Eiscafé der Welt am Dekel-Strand in Eilat. Aber als ich meine israelischen Verwandten nach langer Zeit endlich wiedertraf – in Berlin, nicht in Israel! – merkte ich, wie eingerostet mein Hebräisch sich inzwischen anhörte.
Realist »Ich buche jetzt auch einen Flug nach Israel«, sagte ich zu meinem Mann, als ich mit den Sufganiot von Benedict nach Hause kam. »Ich halte es einfach nicht mehr aus.« »Vergiss es«, sagte der Realist, »an Weihnachten kommst du gar nicht ins Land.« Ich blieb zu Hause und guckte When Heroes Fly auf Netflix. Inzwischen steht Deutschland nicht mehr auf Israels »roter Liste«, weil Omikron überall ist.
Zwar verstehe ich die Einreiseregeln nicht, weil sie sich dauernd ändern, aber mir ist es inzwischen egal, ob ich einen, drei, sieben oder 14 Tage nach Ankunft auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Quarantäne muss. Mein Cousin in Raanana hat mir versprochen, dass ich mich auf seiner Dachterrasse isolieren darf. Er will mich mit Falafel, arabischem Kaffee und jordanischem Arak bei Laune halten. Dazu tagsüber Sonnenlicht und abends die Sterne über dem Feldbett … was braucht eine deutsche Jüdin mehr, um trotz Corona ein bisschen glücklich zu sein?
Pessach Meine letzte Hoffnung ist Pessach mit der Familie in Israel. »Du bist ja optimistisch«, sagte mein Cousin, als ich ihm von den neuen Reiseplänen erzählte. Wahrscheinlich ist er früher in Berlin als ich in Raanana … Aber ich denke nicht daran, meine Israelreise zu verschieben, bis der Messias kommt. Ich habe jetzt bei »Fantasia Air« einen Flug für den Sommer 2035 gebucht. Corona dürfte dann Geschichte sein, und ich muss neu Iwrit lernen.
Aber da bin ich wohl nicht die Einzige. Meine Bekannte ist in den Weihnachtsferien auch nicht nach Israel geflogen. Ich wusste es doch! Wir treffen uns 2035 im Sommer-Ulpan in Jerusalem. Oder ich lade sie zum Quarantänebrechen auf die Dachterrasse nach Raanana ein. Ich hoffe, mein Cousin ist dann noch dort und sorgt für den Arak. Versprochen ist versprochen!