Glosse

Wohin mit 1000 Siddurim?

Warum ich meine Bücher mit ins Schwimmbad genommen habe

von Beni Frenkel  08.08.2021 14:33 Uhr

Ich sammle Bücher ... Foto: Getty Images

Warum ich meine Bücher mit ins Schwimmbad genommen habe

von Beni Frenkel  08.08.2021 14:33 Uhr

Ich sammle Bücher. Jüdische Bücher. Gebetbücher, Bibeln, israelische Kochbücher, Romane. Viele Leute rufen mich an, wenn ihr Großvater gestorben ist. Ich nehme alles. Viele Bücher sind zerrissen, fleckig oder modern vor sich hin. Egal.

Warum ich seit über 20 Jahren jüdische Bücher sammle, weiß ich nicht. Ich habe einen großen Keller, da liegen sie herum. Von gewissen Gebetbüchern habe ich etwa 50 Exemplare.

Siddurim Niemand braucht 50 zerrissene Siddurim, wie Gebetbücher auf Hebräisch genannt werden. Insgesamt besitze ich vielleicht 1000 Siddurim. Manchmal gehe ich in den Keller und blicke mit Stolz auf die vielen Gebetbücher. Wie viele Tränen wurden darin vergossen? Lange halte ich es allerdings im Gewölbe nicht aus. Es riecht ziemlich streng.

Im hinteren Teil des Kellers sind einige Bücherberge bereits in sich zusammengefallen. Ich würde sie gerne wieder aufrichten, aber ich komme einfach nicht durch. Es ist dunkel da unten, uneben, stickig und – eben – stinkig.

So macht Büchersammeln keinen Spaß. Ich habe mich deswegen durchgerungen, einen Teil der 1000 Bücher zu entsorgen. Das Problem aber ist: Jüdische Bücher kann man nicht einfach in die Tonne werfen. Sie sind heilig.

Kochbuch Zum Glück gibt es Auswege und viele Hintertürchen, dafür ist unsere Religion ja bekannt. Wegwerfen ist nicht gleich entsorgen. Bei uns in der öffentlichen Badeanstalt gibt es zum Beispiel neben der Umkleidekabine eine Bibliothek. Leute entsorgen da ihre Ratgeber, Kochbücher, Simmel- und Konsalik-Bücher.

Die Bibliothek wird jedes Jahr größer, weil ja nicht mehr gelesen wird. Gebetet wird aber immer, vor allem während der Pandemie. Vor mir hat leider noch niemand 100 Siddurim in die Regale neben der Frauenkabine gelegt.

Der Bademeister hat zum Glück nicht zugeguckt. Was ich aber beobachten muss, ist das Desinteresse der Badenden an meinen heiligen Büchern. Ich lege mich bewusst so hin, dass ich die Frauenkabine und die heiligen Bücher im Blickfeld habe.

tradition Viele blättern zwar durch die jüdischen Gebetbücher, aber mitgenommen werden sie nicht. Keines. Ich weiß das, weil ich jeden Sonntag den Bestand zähle. Das erschüttert mich. Bin ich der Einzige im Schwimmbad, der sich für jüdische Tradition interessiert?

Letzten Sonntag waren die Bücher aber plötzlich weg. Und zwar alle. Ein Glaubensgenosse hat sie eingepackt – und mich am Abend angerufen. Er hätte da eine Überraschung für mich.

Bochum

Ausstellung von »Guernica-Gaza« abgesagt

Der Bilderzyklus von Mohammed Al-Hawajri ist wegen Antisemitismusvorwürfen umstritten

 07.09.2024

Speyer/Mainz/Worms

SchUM-Städte laden zu jüdischen Kulturtagen ein

Vorträge, Konzerte, Filme, Ausstellungen und Diskussionen stehen auf dem Programm

 06.09.2024

Literatur

Immer voller Zweifel

Lena Goreliks Poetik-Vorlesung in Hannover liegt nun auch als Buch vor – ihre Einblicke wirken nicht akademisch, sondern lebensklug

von Alexander Kluy  05.09.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  05.09.2024

Milch

Land der Superkühe

Hightech, Kraftfutter und dreimal Melken am Tag: Israels Rinder gehören zu den produktivsten der Welt. Das hat seinen Preis

von Ralf Balke  04.09.2024

Aufgegabelt

Melonen-Gurke-Eis

Rezepte und Leckeres

 04.09.2024

Filmfest

Von Adrien Brody bis Leni Riefenstahl

In Venedig feierten »The Brutalist« über einen jüdischen Architekten, eine Doku zur NS-Propagandistin und das Olympia-Attentats-Drama »September 5« Premiere

von Jens Balkenborg  04.09.2024

7. Oktober

Die gestohlenen Kinder

Unsere Redakteurin beschreibt, was die Ermordung der sechs Geiseln am vergangenen Wochenende bei ihr - und wahrscheinlich allen Eltern - auslöst

von Nicole Dreyfus  04.09.2024

Geheimnisse und Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  04.09.2024